Ubbo Emmius (* 05. Dezember 1547 in Greetsiel; † 09. Dezember 1625 in Groningen) war ein deutscher evangelisch-reformierter Theologe, Historiker und Pädagoge, der maßgeblich zur Entwicklung der Universität Groningen beitrug und durch sein wissenschaftliches Werk als ein Vorreiter des Parlamentarismus und der politischen Aufklärung angesehen wird. Seine Schriften und politischen Ideen, die vor allem die religiösen und politischen Streitigkeiten seiner Zeit behandelten, hatten einen weitreichenden Einfluss und prägten die Entwicklung der modernen Staats- und Gesellschaftsauffassung.
Frühes Leben und Ausbildung
Ubbo Emmius wurde am 05. Dezember 1547 in Greetsiel (Gemeine Krummhörn) geboren, einem kleinen Fischerdorf in Ostfriesland. Er war der Sohn von Emme Dyken, einem lutherischen Pastor, und seiner Frau Elke Tjarda, der Tochter eines Bürgermeisters aus Norden. Schon früh zeigte Emmius ein bemerkenswertes Interesse an Bildung und besuchte die Lateinschule in Emden, bevor er seine Ausbildung am Gymnasium illustre in Bremen und an der Lateinschule in Norden fortsetzte. 1570 immatrikulierte er sich an der Universität Rostock, wo der Historiker David Chyträus einen großen Einfluss auf ihn ausübte. In dieser Zeit begann Emmius, sich intensiv mit Geschichte und Politik auseinanderzusetzen.
Wanderjahre und der Weg nach Genf
Nach dem Tod seines Vaters im Jahr 1574 kehrte Emmius vorübergehend in seinen Heimatort Greetsiel zurück, bevor er eine weite Reise durch Europa unternahm. Er wanderte zu Fuß entlang des Rheins, besuchte Städte wie Heidelberg, Freiburg im Breisgau und Basel, wo er das Grab seines Vorbilds Erasmus von Rotterdam aufsuchte. Besonders prägend war sein Aufenthalt in Genf, das Zentrum der reformierten Theologie. Hier erlebte er den erbitterten theologischen Streit zwischen Lutheranern und Reformierten, der zu einem tiefen Riss in der protestantischen Kirche führte und ihn dazu brachte, eine feste politische und religiöse Haltung zu entwickeln, die auf den Prinzipien der Reformation basierte.
Lehrer und Rektor
Im Jahr 1578 kehrte Emmius nach Ostfriesland zurück, wo ihm in Norden ein Pfarramt und ein Rektorat angeboten wurden. Er entschied sich für die Lehrerposition und verbrachte neun Jahre als Rektor der Lateinschule in Norden. Diese Schule ist heute als Ulrichsgymnasium bekannt. 1587 wurde Emmius in die religiösen Streitigkeiten in Ostfriesland verwickelt, als die herrschende Grafenfamilie interne Konflikte zwischen Lutheranern und Reformierten austrug. Als Folge zog er 1588 in die ostfriesische Stadt Leer, wo er Rektor der dortigen Lateinschule wurde, die später seinen Namen erhielt: das Ubbo-Emmius-Gymnasium.
Gründung der Universität Groningen
Der Höhepunkt von Emmius‘ akademischer Laufbahn war seine Berufung 1596 nach Groningen in den Niederlanden, wo er die Leitung der Lateinschule übernahm. 1614 wurde er zum ersten Rektor der neu gegründeten Reichsuniversität Groningen ernannt. In dieser Funktion trug er maßgeblich zur akademischen und politischen Landschaft der Stadt bei. Unter seiner Führung entwickelte sich die Universität zu einem bedeutenden Zentrum für die Theologie und die humanistischen Wissenschaften.
Familie und späte Jahre
Emmius war zweimal verheiratet. 1581 heiratete er Theda Tjabbern, die jedoch bereits 1583 verstarb. 1586 heiratete er Margaretha van Bergen, mit der er mehrere Kinder hatte. Zwei seiner Kinder überlebten ihn: seine Tochter Elisabeth und sein Sohn Wessel Emmius, der später ebenfalls Prediger in Groningen wurde. Ubbo Emmius starb am 09. Dezember 1625 in Groningen im Alter von 78 Jahren.
Werke und politische Ideen
Emmius’ wissenschaftliches Werk war in erster Linie von den religiösen und politischen Auseinandersetzungen seiner Zeit geprägt. Besonders hervorzuheben ist seine Rerum Frisicarum historiae libri 60 (Geschichte der friesischen Völker), ein monumentales Werk, das die Geschichte Ostfrieslands detailliert darstellt und mit einer präzisen Karte der Region versehen ist. Diese Geschichte wird heute noch als eine der wichtigsten Quellen zur friesischen Geschichte angesehen.
Neben seinem historischen Werk verfasste Emmius zahlreiche politische Schriften, in denen er das Widerstandsrecht des Volkes gegen tyrannische Herrscher vertrat. In seinen Briefen und Essays argumentierte er für die Rechte des Volkes und die Begrenzung der monarchischen Macht – Ideen, die später von Denkwürdigkeiten wie Jean-Jacques Rousseaus Gesellschaftsvertrag beeinflussten. Seine Schriften, die unter anderem gegen die absolute Fürstenherrschaft in Ostfriesland und die lutherische Hofpartei in Aurich gerichtet waren, wurden von der Obrigkeit oft verboten und öffentlich verbrannt, was seinen unerschrockenen Einsatz für politische und religiöse Freiheit unterstreicht.
Publikationen
Ubbo Emmius hinterließ ein umfangreiches literarisches Werk, das nicht nur seine historisch-theologischen Interessen widerspiegelt, sondern auch politische und philosophische Themen behandelt. Besonders bekannt ist seine friesische Geschichte, die als eines seiner bedeutendsten Werke gilt. Die folgenden Werke sind exemplarisch für seine wissenschaftlichen und politischen Schriften:
- Friesische Geschichte. Aus dem Lateinischen übersetzt von Erich von Reeken. 6 Bände, Wörner, Frankfurt am Main 1981, ISBN 3-88782-000-2.
- Opus chronologicum novum. Pluribus partibus constans. Elsevir / Sassius, Groningae 1619.
- Appendix genealogica illustrando operi chronologico adjecta. Elsevir, Groningae 1620.

Literatur
Die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Ubbo Emmius und seinem Leben hat zahlreiche Studien und Veröffentlichungen hervorgebracht. Diese Werke befassen sich sowohl mit seiner historischen Bedeutung als auch mit seiner Rolle in der politischen und theologischen Entwicklung des 16. und 17. Jahrhunderts. Die folgenden Quellen bieten vertiefte Einblicke in Emmius‘ Leben und Werk.
- Gudrun Anne Dekker: Ubbo Emmius: Leben, Umwelt, Nachlass und Gegenwart. Broschiert.
- Ernst Friedländer: Emmius, Ubbo. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 6, Duncker & Humblot, Leipzig 1877, S. 89 f.
- Derk de Haan: Ubbo Emmius. In: Derk de Haan (Hrsg.): 400 Jahre Ulrichsgymnasium Norden. 1567–1967. Ulrichsgymnasium, Norden 1967, S. 88.
- W. J. Kuppers (Hrsg.): Ubbo Emmius. Een Oostfries geleerde in Groningen / Ubbo Emmius. Ein ostfriesischer Gelehrter in Groningen. Groningen und Emden 1994 – enthält eine ausführliche Bibliografie.
- Günther Möhlmann: Emmius, Ubbo. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 4, Duncker & Humblot, Berlin 1959, ISBN 3-428-00185-0, S. 486 (Digitalisat).
Namensgeber und Nachwirkung
Ubbo Emmius‘ herausragende Leistungen in den Bereichen Wissenschaft, Pädagogik und Politik haben ihm zahlreiche Ehrungen und Anerkennungen eingebracht. Sein Vermächtnis lebt heute in verschiedenen Institutionen, Schulen und öffentlichen Einrichtungen weiter, die nach ihm benannt wurden, um seine Bedeutung für die Region und die Wissenschaft zu würdigen.
Nach Ubbo Emmius benannte Einrichtungen und Orte
- Ubbo-Emmius-Medaille der Ostfriesischen Landschaft: Diese Medaille wird verliehen, um herausragende Verdienste um Ostfriesland anzuerkennen. Sie würdigt besonders Menschen, die sich in den Bereichen Kultur, Wissenschaft und Politik für die Region verdient gemacht haben.
- Ubbo-Emmius-Gymnasium in Leer: Dieses Gymnasium, ursprünglich als Lateinschule gegründet, wurde später zu einer der bedeutendsten Bildungseinrichtungen in Leer und ist nach Emmius benannt, um seinen Beitrag zur Schulbildung und seinem Engagement für das Bildungssystem in Ostfriesland zu ehren.
- Ubbo Emmius-Schule (Grundschule) in Greetsiel: In seiner Geburtsstadt Greetsiel gibt es eine Grundschule, die den Namen des Gelehrten trägt. Sie ist ein weiterer Ausdruck der Anerkennung für seine Verbindung zur Region und sein Engagement im Bildungsbereich.
- Ubbo Emmius Scholengemeenschap (Gesamtschule) in Stadskanaal, Veendam und Winschoten, Niederlande: In der Provinz Groningen gibt es eine Gesamtschule, die ebenfalls nach Ubbo Emmius benannt ist. Sie würdigt seine akademischen Verdienste und seinen Einfluss auf die Bildung in der Region.
- Ubbo-Emmius-Klinik in Aurich und Norden: Diese Klinik ist eine weitere Einrichtung, die in Erinnerung an Ubbo Emmius benannt wurde. Sie steht als Symbol für seine langanhaltende Bedeutung für Ostfriesland und das Gesundheitswesen der Region.
- Ubbo-Emmius-Straße: In vielen Städten der Region, wie z. B. in Norden, Großefehn, Aurich, Emden, Marienhafe und Leer, gibt es Straßen, die nach Ubbo Emmius benannt sind. Diese Straßen erinnern an seine Herkunft und seinen bleibenden Einfluss auf die Region.
- Ubbo-Emmiusstraat in Groningen und weiteren niederländischen Orten: Auch in der niederländischen Stadt Groningen und anderen Städten gibt es Straßen, die nach Ubbo Emmius benannt wurden. Diese Straßen erinnern an seinen maßgeblichen Beitrag zur Gründung der Universität Groningen und seinen weiteren Einfluss auf die akademische und politische Landschaft.
- Ubbo-Emmiussingel (Ringwall) in Groningen: In Groningen gibt es einen Ringwall, der ebenfalls zu Ehren von Ubbo Emmius benannt wurde. Diese Bezeichnung würdigt seine Rolle in der Stadt und seine Arbeit an der Universität Groningen.
- Arriva Spurt Eisenbahn-Triebwagen: Ein Triebwagen des niederländischen Verkehrsunternehmens Arriva wurde nach Ubbo Emmius benannt, was eine eher ungewöhnliche, aber ebenfalls bedeutende Geste der Erinnerung an den Gelehrten darstellt.
- Ubbo-Emmius-Gesellschaft für historisch-politische Forschung in der Ems-Dollart-Region: Diese Gesellschaft fördert die historisch-politische Forschung in der Region rund um den Ems-Dollart. Sie trägt den Namen von Ubbo Emmius, um sein Engagement für die politische und wissenschaftliche Aufklärung zu würdigen und fortzuführen.
Ubbo Emmius und Ostfriesland
Ubbo Emmius’ Leben und Werk sind untrennbar mit seiner Heimat Ostfriesland verbunden. Geboren 1547 in Greetsiel, einem kleinen Fischerdorf an der Nordsee, wuchs Emmius in einer lutherischen Familie auf und zeigte bereits früh eine große Bildungslust. Seine ersten akademischen Schritte unternahm er in Emden und Bremen, bevor er in Rostock und Genf weitere akademische Impulse erhielt. Doch trotz seines weiten akademischen Horizonts kehrte Emmius immer wieder nach Ostfriesland zurück, das für ihn eine wichtige kulturelle und politische Bedeutung hatte.
Emmius’ Wirken als Rektor an der Lateinschule in Norden und später in Leer festigte seine Verbindung zur Region. Besonders prägend war seine Rolle in den religiösen und politischen Konflikten Ostfrieslands, die Ende des 16. Jahrhunderts die Region erschütterten. Emmius selbst wurde in die Auseinandersetzungen zwischen den verschiedenen protestantischen Strömungen verwickelt und setzte sich vehement für die reformierte Theologie ein. In seinen politischen Schriften griff er die absolute Fürstenherrschaft in Ostfriesland an und verteidigte das Recht des Volkes auf Widerstand. Diese Schriften, die oft verboten und verbrannt wurden, machten ihn zu einem Vorreiter politischer Ideen, die später die Aufklärung und den Parlamentarismus beeinflussten.
Sein Werk zur friesischen Geschichte, die Rerum Frisicarum historiae, bleibt ein bedeutendes Zeugnis seiner tiefen Verbundenheit mit der Region. Sie liefert nicht nur wertvolle historische Informationen, sondern auch einen Einblick in die kulturelle Identität Ostfrieslands.
Geburtshaus in Greetsiel
Das Geburtshaus von Ubbo Emmius befand sich am Standort des ehemaligen Pastorenhauses in der Hohen Straße in Greetsiel. An dem heutigen Gebäude ist eine Gedenktafel angebracht, die an den berühmten Theologen und Historiker erinnert. Diese Gedenktafel würdigt Emmius‘ Herkunft aus dem kleinen ostfriesischen Fischerdorf und seine späteren Leistungen, die ihn zu einer bedeutenden Figur in der Geschichte von Ostfriesland und der Universität Groningen machten. Die Tafel ist ein Symbol für die enge Verbindung zwischen Emmius und seiner Heimatstadt.
Fazit
Ubbo Emmius war eine herausragende Figur der Renaissance und der Reformation, dessen Leben und Werk weit über seine Zeit hinaus Bedeutung behielten. Als Theologe und Historiker trug er wesentlich zur ostfriesischen Geschichtsschreibung bei und etablierte sich als eine Stimme der politischen Aufklärung. Seine Schriften, die das Widerstandsrecht und die Begrenzung monarchischer Macht thematisierten, machten ihn zu einem Vorreiter des modernen Parlamentarismus und eines revolutionären Denkens, das später Einfluss auf die Französische Revolution nahm.
Als Gründungsrektor der Universität Groningen hinterließ Emmius ein bleibendes akademisches Erbe, und sein Name lebt heute in verschiedenen Institutionen und Denkmälern weiter. Emmius war somit nicht nur ein bedeutender Gelehrter, sondern auch ein mutiger Vorkämpfer für die Freiheit und die Rechte des Volkes.
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