Neuharlingersiel (plattdeutsch: Neeharlingersiel) ist eine Gemeinde in der Samtgemeinde Esens im Landkreis Wittmund, Niedersachsen. Gelegen an der Nordseeküste im Harlingerland, zieht der Ort Besucher mit seiner einzigartigen Kombination aus Geschichte, Natur und maritimer Kultur an. Seit 1996 ist Neuharlingersiel ein staatlich anerkanntes Nordseeheilbad, während die Ortsteile Altharlingersiel und Ostbense als Küstenbadeorte klassifiziert sind.
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Geographie
Neuharlingersiel liegt direkt an der Nordseeküste und grenzt an den Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer, der seit 2009 zum UNESCO-Weltnaturerbe gehört. Dieser einzigartige Lebensraum bietet Schutz für eine Vielzahl von Tier- und Pflanzenarten und ist ein beliebtes Ziel für Naturfreunde und Wattwanderer.
Die Gemeinde liegt im Osten angrenzend an das Nordseebad Carolinensiel, einen Stadtteil von Wittmund. Im Südosten schließt sie an die Gemeinde Werdum an, im Süden an die Gemeinde Stedesdorf und im Südwesten an die Stadt Esens. Nördlich der Gemeinde liegen die vorgelagerten ostfriesischen Inseln Langeoog und Spiekeroog.
Gemeindegliederung
Die Gemeinde umfasst vier Ortsteile:
- Neuharlingersiel
- Altharlingersiel
- Ostbense
- Seriem
Geschichte
Neuharlingersiel wird erstmals 1693 urkundlich erwähnt. Der Ort entstand durch den Deichbau in der Harlebucht und übernahm die Funktion als Sielort von Altharlingersiel. Seit dieser Zeit dient der Hafen als Standort für die Hochseefischerei.
Im frühen 18. Jahrhundert entwickelte sich aus einer einfachen Anlegestelle ein Schutz- und Umschlaghafen. Besonders auswärtige Frachtschiffer erkannten die strategisch günstige Lage und nutzten den Hafen, um Handelshäfen entlang der Nord- und Ostseeküste zu erreichen. Um die Ufer des Hafenbeckens zu stabilisieren, wurden Holzbohlen eingesetzt, wodurch acht Liegeplätze für Seeschiffe entstanden, die überwiegend dem Segelschifftyp der Kuffen angehörten. Mit der Übernahme Ostfrieslands durch Preußen im Jahr 1744 nach dem Aussterben der Cirksena wurde der Hafen zu einem wichtigen Drehkreuz für den internationalen Handel. Vor allem Getreideexporte nach Skandinavien und Holzimporte aus Finnland und Schweden prägten die Handelsströme. Lagerhäuser, Sägewerke und andere verarbeitende Betriebe siedelten sich im Sielort an, und die wirtschaftliche Blüte hielt bis Ende des 18. Jahrhunderts an.
Die politischen Unruhen des späten 18. Jahrhunderts hatten jedoch negative Auswirkungen: Die Blockade niederländischer Häfen durch England im Jahr 1795 beeinträchtigte auch Neuharlingersiel. Nach der Niederlage Preußens in der Schlacht von Jena und Auerstedt fiel Ostfriesland 1806 an das Königreich Holland und später unter die direkte Kontrolle des französischen Kaiserreichs. Der Hafenort diente vorübergehend als Garnisonsstadt und später als Zollstation zur Durchsetzung der von Napoleon verhängten Kontinentalsperre. In dieser Zeit florierte der Schmuggel, und ein unterirdischer Tunnel verband das Hafengelände mit einer Gaststätte, deren Keller als Lager für Schmuggelware genutzt wurde. Reste dieses Tunnels wurden 1959 bei Bauarbeiten entdeckt.
Nach dem Rückzug der Franzosen im Jahr 1813 und der vorübergehenden Rückkehr unter preußische Herrschaft erlebte Neuharlingersiel zunächst keinen wirtschaftlichen Aufschwung. Erst ab etwa 1830 begann eine neue Blütezeit, die bis zum Ende des 19. Jahrhunderts anhielt.
Während der Zeit des Nationalsozialismus spielte Georg von Eucken-Addenhausen eine zentrale Rolle in der Region. Er residierte auf dem Sielhof bei Neuharlingersiel und gilt als wichtiger Unterstützer des Regimes.
Bis 1963 war der beliebte Ort an der Nordsee mit einer Fläche von nur vier Hektar eine der kleinsten Gemeinden Deutschlands. Nach einer Grenzkorrektur mit der Nachbargemeinde Seriem wurde das Gemeindegebiet um 36 Hektar erweitert. 1966 begann die Aufschüttung eines Sandstrandes, der 1967 fertiggestellt wurde. 1968 fusionierten die Gemeinden Neuharlingersiel und Seriem, und im Zuge der Gebietsreform 1972 wurde Neuharlingersiel mit Altharlingersiel und Ostbense zur heutigen Gemeinde zusammengeschlossen. Seitdem gehört der Ort zur Samtgemeinde Esens, deren Verwaltungssitz sich in Esens befindet.
Wappen
Das Wappen der Gemeinde zeigt ein goldenes, zweimastiges Segelschiff auf blauem Hintergrund, das an die einst in Neuharlingersiel beheimateten Großsegler erinnert. Die Farben Blau und Gold symbolisieren die Zugehörigkeit zur Samtgemeinde Esens und zum Harlingerland sowie die Lage an der Nordseeküste.
Kultur und Sehenswürdigkeiten
Neuharlingersiel bewahrt zahlreiche Baudenkmäler, darunter den Fischereihafen, der vor rund 300 Jahren erstmals urkundlich erwähnt wurde.
Zu den besonderen Attraktionen zählen die Skulpturen Alt- und Jungfischer von Hans-Christian Petersen aus Esens, die im Jahr 2000 am Hafen aufgestellt wurden, sowie das Traditionsschiff Lulu Meinders. Der ehemalige Fischkutter aus dem Jahr 1963 liegt seit Mai 2010 in Neuharlingersiel vor Anker.
Museen
Das Buddelschiffmuseum zeigt über 100 originalgetreue Schiffsmodelle aus der Antike bis zur Neuzeit, eingebettet in Flaschen mit einem Fassungsvermögen von 0,7 bis 60 Litern. Zu den Highlights gehören Modelle wie die Victory, Flaggschiff von Admiral Nelson, und die Titanic. Ergänzt wird die Ausstellung durch Bauzeichnungen, Fotos und Kapitänsbilder sowie jährlich wechselnde Sonderausstellungen rund um Fischerei und Hochseeschifffahrt.
Die Seriemer Mühle, eine denkmalgeschützte Windmühle aus dem Jahr 1804, ist bis heute funktionsfähig und täglich zu besichtigen.
Bauwerke
Der Sielhof, ein ehemaliger Herrensitz aus dem 18. Jahrhundert, wurde detailgetreu restauriert. Er entstand 1755 als zweigeschossiger Backsteinbau mit Walmdach und wurde zwischen 1899 und 1906 umfassend neobarock umgestaltet. Zu den Besonderheiten zählen ein Kamin mit Delfter Kacheln von 1756, eine reich verzierte Tür und ein Saal mit bemalter Holzdecke. Die bis heute teilweise erhaltene Gräfte wird von einer Brücke mit einem Geländer aus Walfischknochen überspannt. Seit 1989 dient der Sielhof als „Haus des Gastes“ mit Restaurant, Bücherei, Kapelle und Veranstaltungsräumen. Besonders sehenswert ist die Bibelfliesen-Wand mit rund 820 Fliesen, die größte ihrer Art in Ostfriesland.
Ein weiteres geschichtsträchtiges Bauwerk ist die Gaststätte Dattein, ein etwa 300 Jahre altes Backsteingebäude, das im Jahr 2000 renoviert und umgebaut wurde.
Sport und Wellness
Das BadeWerk Neuharlingersiel bietet ein breites Wellness- und Sportangebot, darunter Massagen, Ayurveda, Thalasso-Therapie, ein Meerwasser-Hallenbad und eine Sauna-Landschaft.
Filmdrehort: Neuharlingersiel
Der malerische Ort diente als Kulisse für mehrere Fernsehproduktionen, darunter der Kinderfilm Der Seehund von Sanderoog (2006), die ZDF-Serie Doktor Martin (2007–2009) und der Film Bermuda-Dreieck Nordsee (2011).
Im Herbst 2019 war der ZDF-Fernsehgarten zu Gast und drehte die dreiteilige Reihe „Fernsehgarten on Tour“ am Hafen. Die Episoden mit den Titeln „Moin aus Neuharlingersiel“, „Drachenfest in Neuharlingersiel“ und „Ostfriesen-Abitur“ präsentierten einen Mix aus Unterhaltung, Spiel und Kultur.
Regelmäßige Veranstaltungen
Neuharlingersiel ist Schauplatz zahlreicher Veranstaltungen, insbesondere im Bereich des Fischereihafens. Jährlich finden rund 2000 Events statt, darunter:
- Schützenfest „Sieler Markt“
- Kutterregatta
- Lichterfest im Sielhof-Park
- Wattwanderungen
- Führungen durch den Sielhof und das BadeWerk
- Hafenkonzerte und Strandfeste
Wirtschaft und Infrastruktur
Der wichtigste Wirtschaftszweig in Neuharlingersiel ist der Tourismus. Ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gewann dieser insbesondere in den Festlandhäfen an Bedeutung, teils durch den zunehmenden Badebetrieb auf den Inseln. Die erste urkundliche Erwähnung Neuharlingersiels als Badeort stammt aus dem Jahr 1861. Seit 1912 gibt es offizielle Werbeprospekte. Der heutige Kurverein Neuharlingersiel, damals als Bade- und Verkehrsverein gegründet, existiert seit 1960 und förderte den Ausbau des Ortes für den Fremdenverkehr.
Meilensteine in der touristischen Entwicklung waren der Bau des Kurhauses (heute BadeWerk), die Errichtung eines Campingplatzes sowie die Anlage eines 20 Hektar großen Sandstrands mit Strandkörben und Promenade in den Jahren 1966/67. Neuharlingersiel verzeichnet jährlich rund 100.000 Badegäste und Touristen, die etwa 800.000 Übernachtungen buchen. Der Campingplatz hinter dem Deich bietet ganzjährig etwa 1.100 Stellplätze für Wohnwagen und Reisemobile sowie 300 Zeltplätze. Weiter sind im Hafen von Neuharlingersiel acht aktive Fischkutter stationiert.
Verkehr
Östlich von Neuharlingersiel liegt Carolinensiel, westlich Bensersiel, beide erreichbar über eine Landesstraße oder Wanderwege entlang des Deichs. Um den Ort vom Durchgangsverkehr zu entlasten, wurde im Juni 2010 eine kommunale Entlastungsstraße fertiggestellt. Der Hafen von Neuharlingersiel dient zudem als Fährhafen zur Ostfriesischen Insel Spiekeroog. Die Schiffsverbindung, die seit 1792 besteht, umfasst heutzutage täglich ein bis vier Fahrten.
Neuharlingersiel ist gut mit dem Auto erreichbar. Aus Richtung Süden führen die Autobahnen A29 und A31 in die Region. Von der A29 gelangt man über die B210 und die L808 nach Neuharlingersiel, von der A31 über die B72 und die L808. Für Zugreisende bietet sich der Bahnhof in Esens als nächstgelegener Haltepunkt an, von dem aus Busverbindungen nach Neuharlingersiel bestehen.
Rettungsstation der DGzRS
An der Westseite des Hafens befindet sich der Rettungsschuppen der Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger (DGzRS). Hier sind freiwillige Helfer aus dem Ort und der Umgebung stationiert. Vor dem Schuppen liegt das Seenotrettungsboot „Courage“, das für Einsätze im Wattenmeer bereitsteht.
ÜbernachtEN und EinkehrEN
Neuharlingersiel bietet eine breite Palette an Übernachtungs- und Einkehrmöglichkeiten, die für jeden Geschmack und jedes Budget etwas bereithalten.
Hotels und Pensionen
Die Gemeinde verfügt über zahlreiche Hotels und Pensionen, die von familiärer Gastfreundschaft bis hin zu gehobenem Komfort reichen. Viele Unterkünfte befinden sich in unmittelbarer Nähe zum Hafen oder Strand und bieten herrliche Ausblicke auf die Nordsee.
Ferienwohnungen und -häuser
Ferienwohnungen und Ferienhäuser sind besonders bei Familien und länger bleibenden Gästen beliebt. Sie bieten viel Platz und Flexibilität sowie die Möglichkeit, sich selbst zu versorgen. Zahlreiche Objekte sind modern eingerichtet und verfügen über Annehmlichkeiten wie Terrassen oder Gärten.
Camping
Der Campingplatz von Neuharlingersiel liegt direkt hinter dem Deich und bietet über 1.100 Stellplätze für Wohnwagen und Reisemobile sowie rund 300 Zeltplätze. Moderne Sanitäranlagen, ein Minimarkt und direkte Strandzugänge machen den Platz besonders attraktiv.
Restaurants und Cafés
In Neuharlingersiel gibt es eine Vielzahl an gastronomischen Angeboten. Von traditionellen Fischrestaurants, die fangfrischen Fisch und regionale Spezialitäten servieren, bis hin zu Cafés mit hausgemachten Kuchen und Tee ist für jeden Geschmack etwas dabei. Besonders beliebt sind Lokale direkt am Hafen, wo Gäste die maritime Atmosphäre genießen können. Berühmt ist beispielsweise das Café Störmhuus direkt am Kutterhafen von Neuharlingersiel.
Persönlichkeiten
Die Gemeinde Neuharlingersiel kann auf eine bewegte Geschichte und zahlreiche Persönlichkeiten zurückblicken, die durch ihre Leistungen und ihr Engagement sowohl lokal als auch überregional von Bedeutung waren.
Ehrenbürger
- Johannes Eden (1925–2002): Langjähriger Bürgermeister der Gemeinde Neuharlingersiel. Während seiner Amtszeit von 1961 bis 1993 prägte er maßgeblich die Entwicklung der Region und setzte sich nachhaltig für die Interessen der Einwohner ein.
Bekannte Persönlichkeiten
- Franz August Mammen (1813–1888): Deutscher Unternehmer und liberaler Politiker, der als Mitglied der Deutschen Fortschrittspartei eine wichtige Rolle in der politischen Landschaft seiner Zeit spielte.
- Georg von Eucken-Addenhausen (1855–1942): Jurist und Politiker, der sich durch seine Verdienste im öffentlichen Dienst und in der Rechtsprechung hervortat.
- Wilhelm Schuchmann (1858–1943): Erfolgreicher deutscher Reeder, der mit seinem Wirken zur Entwicklung der deutschen Schifffahrt beitrug.
Fazit
Neuharlingersiel beeindruckt durch seine einmalige Kombination aus Natur, Geschichte und maritimer Kultur. Vom kleinen Sielort hat sich die Gemeinde zu einem der gefragtesten Nordseebäder entwickelt. Mit dem traditionsreichen Fischereihafen, dem UNESCO-Weltnaturerbe Wattenmeer und einer Vielzahl von Freizeit- und Wellnessangeboten bietet Neuharlingersiel sowohl Entspannung als auch spannende Erlebnisse. Dank seiner charmanten Atmosphäre und der Vielfalt an Unterkünften und gastronomischen Highlights zieht der Ort jedes Jahr tausende Besucher an und ist ein wahres Juwel der ostfriesischen Küste.
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