Die Ostfriesischen Inseln vor der Küste Niedersachsens sind nicht nur für ihre einzigartigen Naturlandschaften, das UNESCO-Weltnaturerbe Wattenmeer und den maritimen Charme bekannt, sondern auch für eine ganz besondere Tradition des Bahnverkehrs: die sogenannten Inselbahnen. Während auf dem europäischen Festland das Eisenbahnnetz kontinuierlich ausgebaut und modernisiert wurde, haben sich die kleinen Bahnen auf den Inseln teilweise bis heute ihren nostalgischen Charakter bewahrt. Einige der Inselbahnen sind sogar noch immer unverzichtbarer Bestandteil der lokalen Infrastruktur und befördern sowohl Einwohner als auch Touristen vom Hafen zu den Hauptorten. Andere hingegen existieren nur noch in Form von Museums- oder Museumsbahnstrecken.
Dieser Artikel widmet sich ausführlich der Geschichte, Gegenwart und Zukunft der Inselbahnen auf den Ostfriesischen Inseln und stellt dabei die Besonderheiten jeder einzelnen Bahn dar. Die historischen Hintergründe, die technischen Merkmale und die Bedeutung für den Tourismus werden ebenso beleuchtet wie die Herausforderungen, mit denen die Inselbahnen in der heutigen Zeit konfrontiert sind.
GeschichtE der Inselbahnen
Die Idee, auf den deutschen Ostfriesischen Nordseeinseln Eisenbahnen zu bauen, entstand Ende des 19. Jahrhunderts. Zu jener Zeit befand sich die Eisenbahninfrastruktur auf dem europäischen Festland in einer Phase rasanten Ausbaus. Häfen, Industriestädte und Urlaubsdestinationen sollten immer besser miteinander verknüpft werden. Da einige der Ostfriesischen Inseln, etwa Borkum und Wangerooge, schon früh von Touristen besucht wurden, spielte die Erschließung dieser Gebiete eine wichtige Rolle. Außerdem herrschte das Bedürfnis, Frachtgut – insbesondere Baumaterialien, Brennstoffe und Lebensmittel – effektiv zu transportieren.
Die ersten Inselbahnen entstanden vor allem aus praktischen Gründen: Ankommende Schiffe legten in den tideabhängigen Inselhäfen an, die oft mehrere Kilometer vom Hauptort entfernt lagen. Für die Inselbewohner wäre es mühsam gewesen, Waren und Koffer über längere Wege zu befördern. Eine einfache, häufig schmalspurige Bahnstrecke bot sich als optimale Lösung an. Die Spurweiten variierten damals je nach Insel, Verfügbarkeit von Material und lokalen Gegebenheiten. Von Beginn an war die Inselbahn zumeist ein Multitalent: Sie transportierte nicht nur Touristen, sondern diente auch dem reinen Güterverkehr.
Infolge der steigenden Popularität des Nordsee-Tourismus in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts gewannen die Inselbahnen an Bedeutung. Auf mehreren Inseln wurden sogar Dampf- und später Diesellokomotiven eingesetzt, um steigende Transportmengen zu bewältigen. Mit der Zeit jedoch wurde die Bedeutung einiger Bahnen durch technische Neuerungen und andere Verkehrsmittel (z. B. motorisierte Fahrzeuge oder Fähren mit besserer Erreichbarkeit) allmählich verdrängt. Dennoch blieben etliche Bahnen erhalten, weil sie entweder wirtschaftlich sinnvoll waren oder einen hohen touristischen Mehrwert boten.
Bis heute haben sich folgende Inselbahnen zumindest in Teilen erhalten oder wurden als Museumsbahnen wiederbelebt:
- Borkumer Kleinbahn (Borkum)
- Wangerooger Inselbahn (Wangerooge)
- Inselbahn Langeoog (Langeoog)
- Spiekerooger Inselbahn (Spiekeroog, heute Museumsbahn)
- Ehemals: Norderneyer Inselbahn (Norderney)
- Ehemals: Juister Inselbahn (Juist)
Kleinbahn Borkum
Historischer Überblick
Die Borkumer Kleinbahn ist die älteste kontinuierlich betriebene Inselbahn Deutschlands. Bereits 1879 wurde eine Pferdebahn eröffnet, um Fracht zwischen dem Anleger und dem Stadtkern zu befördern. Mit wachsender Bedeutung des Fremdenverkehrs gründete sich 1888 die Borkumer Kleinbahn und Dampfschiffahrt GmbH, die bis heute unter diesem Namen besteht. 1889 wurde schließlich die erste Dampflok in Betrieb genommen, und die Pferdebahn ging nach und nach in einen modernisierten Betrieb über.
Im Laufe der Zeit entwickelte die Bahn sich zum Rückgrat der Inselmobilität. Waren, Gepäckstücke und natürlich Passagiere wurden bei jeder Flut über den Hafen auf die Insel gebracht. Mit der neuen Dampfschifflinie verkehrte fortan auch eine regelmäßige Personenbahn. Später kamen Dieseltriebfahrzeuge hinzu, was die Effizienz des Bahnbetriebs deutlich steigerte.

Technische Daten und Betrieb
Die Spurweite der Borkumer Kleinbahn beträgt 900 Millimeter. Heute erstreckt sich das Streckennetz hauptsächlich über rund 7,5 Kilometer vom Fähranleger (dem sogenannten „Schiffanleger“) bis zum Bahnhof Borkum in der Nähe des Inselzentrums. Zwischenzeitlich existierten Nebenstrecken, die allerdings nach dem Zweiten Weltkrieg zum Teil aufgegeben wurden.
Im Personenverkehr setzt die Borkumer Kleinbahn moderne Diesellokomotiven und -triebwagen ein. Eine historische Dampflok steht für nostalgische Sonderfahrten bereit und ist insbesondere zu Ferienzeiten ein touristisches Highlight. Die Bahn verkehrt meist im Anschluss an die Fähren, sodass die Fahrzeiten auf die Tidezeiten abgestimmt sind.
Bedeutung für Tourismus und Insel
Die Borkumer Kleinbahn hat sich längst zu einer Institution auf der Insel entwickelt. Für viele Besucher beginnt das „Inselgefühl“ bereits bei der Fahrt mit der kleinen Bahn. Man genießt den Blick auf die Dünen, Salzwiesen und den Leuchtturm von Borkum, während das gemächliche Ruckeln der Wagen den Urlaub einstimmt.
Darüber hinaus leistet die Bahn einen bedeutenden Beitrag zur Verkehrsberuhigung: Da viele Gäste ihre Autos auf dem Festland in Emden oder Eemshaven lassen müssen oder wollen, stellt die Bahn eine umweltfreundliche und bequeme Alternative zum Individualverkehr dar. Sie ist, gemeinsam mit den Inselbussen und Fahrradwegen, integraler Bestandteil des Mobilitätskonzepts von Borkum.
Inselbahn Wangeroog
Historische Entwicklung
Die Wangerooger Inselbahn wurde erstmals 1888 in Betrieb genommen – nur wenige Jahre nach den ersten kleinen Bahnen auf Borkum. Wangerooge war und ist bis heute eine bedeutende Urlaubsinsel, die dank ihrer Nähe zum Festland früh touristisch erschlossen wurde. Die ursprüngliche Strecke verband den westlichen Anleger mit dem Hauptort im Osten der Insel und diente zunächst sowohl dem Güter- als auch dem Personenverkehr.
Eine Besonderheit auf Wangerooge ist, dass die Bahn mittlerweile von der Deutschen Bahn (DB) betrieben wird. Früher unterstand sie jedoch der Großherzoglich Oldenburgischen Eisenbahn, später der Deutschen Reichsbahn und schließlich der Deutschen Bundesbahn. Mit der Bahnreform in den 1990er-Jahren und der Ausgliederung der nichtbundeseigenen Bahnen kam es dann zur heutigen Konstellation.
Streckenführung und Betrieb
Die Wangerooger Inselbahn verläuft auf einer Länge von etwa 5,9 Kilometern. Sie hat eine Spurweite von 1.000 Millimetern (Meterspur). Der Bahnhof im Ortskern liegt verhältnismäßig nah am Inseldorf, sodass Gäste und Einheimische kurze Wege haben.
Besonders ist das Wangeroger „Bahnhofsensemble“: Lokschuppen, Fahrzeughallen und die Werkstätten befinden sich auf der Insel selbst. Betrieben wird die Bahn vor allem mit modernen Diesellokomotiven und Waggons. Da Wangerooge (wie fast alle Ostfriesischen Inseln) praktisch autofrei ist, ist die Inselbahn das bevorzugte Verkehrsmittel für die Ankunftsgäste. Täglich verkehren mehrere Züge, die sich in erster Linie an den Fähren aus Harlesiel orientieren.

Touristische Bedeutung
Die Fahrt mit der Wangerooger Inselbahn ist Teil des Gesamtpakets „Urlaub auf Wangerooge“. Viele Familien und Tagesausflügler sehen die Zugfahrt schon als besonderes Erlebnis. Auf der kurzen Strecke können die Passagiere die malerische Dünenlandschaft und weite Salzwiesen bewundern.
Darüber hinaus ist die Bahn eine wichtige logistische Komponente. Weil PKW auf Wangerooge nahezu komplett verboten sind, sind die Gütertransporte auf Schienen und weitere Insel-Transportmittel (wie Elektrofahrzeuge oder Pferdekutschen) angewiesen. Dieser Mix aus moderner Technik und entschleunigtem Inselflair lockt Technikfreunde und Eisenbahnbegeisterte gleichermaßen an.
Inselbahn Langeoog
Ursprünge und Entwicklung
Langeoog war lange Zeit nur mühsam zu erreichen, da sich die Insel zwar nah am Festland befindet, allerdings sind die Fahrwasser sehr flach und von den Gezeiten abhängig. Um den Weg vom Hafen im Westen der Insel zum Inseldorf zu verkürzen, begann man schon Ende des 19. Jahrhunderts über eine Bahnstrecke nachzudenken. 1901 wurde diese schließlich realisiert und in Betrieb genommen.
Auch auf Langeoog startete der Bahnbetrieb mit einfachen Mitteln. Zunächst wurden Pferdefuhrwerke auf Schienen eingesetzt, ehe man später auf eine erste Dampflokomotive umstellte. Mit den wachsenden Touristenströmen entwickelte sich die Inselbahn zu einer unverzichtbaren Transportmöglichkeit.
Technische Merkmale und Streckenverlauf
Die Inselbahn Langeoog hat heute eine Spurweite von 1.000 Millimetern. Die Strecke verläuft vom Hafen über die Salzwiesen bis zum Bahnhof im Ort, der in unmittelbarer Nähe zum Ortszentrum liegt. Die Fahrzeit beträgt nur wenige Minuten, sodass die kurzen Aufenthalte bei Tages- und Kurztrips auf die Insel optimal genutzt werden können.
Der Fahrzeugpark umfasst insbesondere Dieseltriebfahrzeuge und -loks, die für den ganzjährigen Einsatz geeignet sind. Die Fahrt findet oft im offenen Waggon statt, was gerade bei schönem Wetter einen großartigen Ausblick auf die Dünenlandschaft ermöglicht.

Aktuelle Situation und Besonderheiten
Auf Langeoog ist die Inselbahn nicht nur eine Touristenattraktion, sondern ein elementarer Bestandteil der Alltagsmobilität. Jeder, der mit der Fähre ankommt, wird vom Bahnpersonal begrüßt und kann praktisch im Anschluss an die Schiffsankunft zusteigen. Die Bahn verkehrt ganzjährig, wobei die Frequenz in der Hauptsaison höher ist.
Für Tagesausflügler und Urlauber gleichermaßen stellt die rasche und bequeme Verbindung einen Pluspunkt dar. Viele Insulaner sind stolz auf ihre „Bimmelbahn“, die ein echtes Aushängeschild von Langeoog geworden ist. Die gelb-roten Wagen prägen seit Jahrzehnten das Inselbild und werden oft auf Postkarten oder Reiseführern abgebildet.
Inselbahn Spiekeroog
Historische Entwicklung
Spiekeroog, eine der kleineren Ostfriesischen Inseln, hatte über viele Jahre eine besondere Bahnverbindung. Zunächst existierte ab 1885 eine Pferdebahn, die Urlauber und Fracht von der Anlegestelle zum Ort beförderte. Diese ursprünglich handbetriebene Bahn wurde später modernisiert; gegen Ende des 19. Jahrhunderts kamen erste, ebenfalls pferdegezogene Personenwagen zum Einsatz.
Allerdings war Spiekeroog stets weniger touristisch erschlossen als etwa Borkum oder Norderney. Die Insel setze lange auf eine sehr behutsame Weiterentwicklung und vermied große infrastrukturelle Einschnitte. Deshalb blieb der Betrieb einer aufwendig motorisierten Bahn aus. Mit der Zeit wurde die Inselbahn nur noch im Ausnahmefall genutzt, bis sie schließlich in den 1980er-Jahren offiziell stillgelegt wurde.
Museumsbahn und heutiger Betrieb
Der Wunsch, das historische Erbe zu bewahren, führte dazu, dass engagierte Inselbewohner sich für den Erhalt der Gleisanlagen einsetzten. Heute existiert auf Spiekeroog eine Pflegemuseumsbahn, die jedoch nur zu bestimmten Terminen oder auf Anfrage fährt. Dabei kommen noch immer pferdegezogene Wagons zum Einsat.
Zentral ist hier das Inseldorf und dessen kleiner Bahnhof, von dem aus die Pflegewagen starten und bis ins Westend fahren.
Rolle für die Insel
Obwohl die Museumsbahn eine touristische Attraktion darstellt, ist sie keineswegs so bedeutsam für die Insellogistik wie etwa auf Langeoog oder Borkum. Vielmehr geht es heute darum, ein Stück Inselgeschichte zu bewahren und kleine Nostalgiefahrten anzubieten. Wer Spiekeroog besucht, kann bei einer solchen Fahrt abseits des Massentourismus eine Zeitreise in vergangene Tage unternehmen.
Inselbahn Norderney (ehemalig)
Geschichte und Entwicklung
Norderney war im 19. und 20. Jahrhundert eine der bekanntesten und meistbesuchten Nordseeinseln. Sie galt als „Königliches Seebad“ und lockte Gäste aus ganz Deutschland und dem benachbarten Ausland an. Infolgedessen lag es nahe, den Transport zwischen Hafen und Stadtzentrum effizienter zu gestalten. So entstand 1898 die Norderneyer Inselbahn, die ebenfalls in Meterspur (1.000 mm) gebaut wurde.
Anfänglich wurde sie für den Gütertransport und den Personenverkehr genutzt. Im Laufe der Zeit erweiterte man die Infrastruktur. Mehrere Dampflokomotiven und später auch Dieselloks standen im Einsatz, um die steigenden Besucherzahlen zu bewältigen.
Einstellung und heutiger Zustand
Mit dem wachsenden Kfz-Verkehr und weiteren Modernisierungen auf der Insel sank die Bedeutung der Bahn in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Straßenfahrzeuge und Busse übernahmen fortan mehr und mehr die Rolle des Personen- und Gütertransports. Die Norderneyer Inselbahn wurde schließlich 1982 stillgelegt.
Reste der Bahntrasse sind teils noch zu erkennen, jedoch wurden die Gleisanlagen größtenteils entfernt. Das ehemalige Bahnhofsgebäude ist heute in anderer Nutzung und viele Urlauber wissen nicht einmal, dass hier einst ein Zug verkehrte.
Erinnerung und Museumsaktivitäten
Zwar existiert auf Norderney keine aktive Museumsbahn, doch örtliche Initiativen sorgen dafür, dass das Erbe der Inselbahn nicht völlig in Vergessenheit gerät. In einigen Heimatmuseen finden sich Fotografien und historische Dokumente, die den Bahnverkehr auf Norderney belegen. Auch in Publikationen über die ostfriesischen Inselbahnen wird regelmäßig auf den einstigen Betrieb hingewiesen.
Inselbahn Juist (ehemalig)
Errichtung und Betrieb
Juist, die längste der Ostfriesischen Inseln, hatte ebenfalls eine eigene Inselbahn. Diese entstand um die Jahrhundertwende und diente anfangs dem Güterverkehr. Da Juist sehr tideabhängig ist und die Fähre bei Niedrigwasser nicht immer bis zum eigentlichen Anleger fahren konnte, gab es zeitweise sogar eine Lorenbahn im Watt.
Später kam es zu einer Schmalspurbahn auf der Insel selbst, deren Hauptaufgabe in der Beförderung von Waren lag, während für Passagiere häufig Pferdekutschen verwendet wurden. Nichtsdestotrotz wurden zu Spitzenzeiten auch Reisende in einfachen Waggons befördert.
Besonderheiten und Niedergang
Die Juister Bahn litt unter den gleichen Entwicklungen wie andere Inselbahnen. Mit fortschreitender Mechanisierung des Gütertransports und der Durchsetzung von Kraftfahrzeugen wurde sie zunehmend unwirtschaftlich. Zudem war die Strecke wartungsintensiv, da sie dem salzhaltigen Inselklima und dem aufwendigen Schutz gegen Dünenverwehungen und Sand ausgesetzt war.
Die Bahn wurde schließlich in den 1980er-Jahren stillgelegt. Die Infrastruktur verschwand nahezu restlos, da Juist ohnehin auf eine nahezu autofreie Zone setzte und alternative Transportmöglichkeiten mit Elektrofahrzeugen oder Pferdekutschen besser ins Konzept passten.
Heutige Spuren
Heute erinnert auf Juist nur noch wenig an die einstige Bahn. Vereinzelt lassen sich Ausstellungsstücke oder historische Fotos im Küstenmuseum der Insel besichtigen. Auch Einheimische erzählen gern Anekdoten über die Bahn, die in früheren Zeiten das Ortsbild prägte. Für Technikliebhaber ist diese Geschichte jedoch nur noch in der Erinnerung lebendig, denn eine Reaktivierung wird nicht mehr in Betracht gezogen.
Betrieb, Technik und Fahrzeuge
Schmalspur als bevorzugte Lösung
Die allermeisten Inselbahnen in Ostfriesland sind in Schmalspur gebaut worden. Gründe hierfür waren unter anderem:
- Kostenersparnis: Schmälere Gleise sind günstiger zu verlegen und zu warten.
- Platzbedarf: Auf den Inseln ist der Raum begrenzt; schmalere Trassen lassen sich leichter in die Landschaft integrieren.
- Betriebsbedingungen: Da die Geschwindigkeiten vergleichsweise niedrig sind, war eine Normalspur nicht zwingend erforderlich.
Die gängigsten Spurweiten waren 900 mm (etwa Borkum und Spiekeroog) oder 1.000 mm (Wangerooge, Langeoog, Norderney, Juist).
Lokomotiven und Wagen
Ursprünglich setzten die Inselbahnen auf Dampflokomotiven, zum Teil sogar eigens entwickelte oder angepasste Maschinen, die in den engen Kurven und auf den leichten Schienen fahren konnten. Mit steigenden Wartungsanforderungen und Kosten ab den 1960er-Jahren ging man Schritt für Schritt zu Dieselaggregaten über. Auf Borkum gibt es heute noch vereinzelte Dampflokfahrten – meist als besonderer Nostalgie-Service.
Die Waggons sind zumeist offene oder halboffene Sommerwagen, die sich für die küstennahen Temperaturen eignen. Im Winter stehen geschlossene Wagen mit Heizungen zur Verfügung, denn anders als manch einer glaubt, sind viele Inselbahnen auch in der kalten Jahreszeit unverzichtbar, um die Verbindung vom Hafen zu halten.
Fahrplan und Betriebskonzept
Allen Inselbahnen ist gemein, dass sie sich eng an den Schiffsverkehr anlehnen. Da die Fähren wegen des Tidenhubs nicht zu jeder Tageszeit ablegen können, sind die Bahnfahrpläne häufig unregelmäßig, orientieren sich aber direkt am An- und Ablegen der Schiffe. Das heißt: Sobald eine Fähre ankommt, steht ein Zug bereit, um die Passagiere zum Inseldorf zu bringen – und umgekehrt. In der Hochsaison, wenn mehr Fähren unterwegs sind, fahren die Züge entsprechend häufiger.
Touristische Bedeutung
Die Inselbahnen der Ostfriesischen Inseln sind für zahlreiche Touristen ein Highlight ihres Nordseeurlaubs. Neben der praktischen Funktion als Transportmittel ermöglichen sie den Reisenden, vom ersten Moment an in das Inselleben einzutauchen. Das charakteristische Rumpeln, die gemächliche Geschwindigkeit und der Blick auf Dünen und Watt vermitteln den Gästen ein Gefühl der Entschleunigung.
Insbesondere Familien mit Kindern schätzen die nostalgische Atmosphäre. Schon die Fahrt vom Hafen zum Inseldorf wird zum Erlebnis, was bei herkömmlichen Bussen oder Taxis meist nicht in gleichem Maße der Fall ist. Viele Touristen berichten, dass ihnen gerade diese Bahnfahrt in besonderer Erinnerung bleibt und für sie zu den schönsten Momenten des Inselaufenthaltes zählt.
Darüber hinaus dienen einige Inselbahnen als Touristenattraktion per se. Auf Borkum beispielsweise werden Sonderfahrten mit einer historischen Dampflok angeboten. Auch auf Langeoog oder Wangerooge ist das Ein- und Aussteigen in die offenen Wagen ein fester Bestandteil des Urlaubserlebnisses. Für die jeweilige Insel bedeutet dies eine positive Vermarktung: Die Bahn taucht häufig in Broschüren, Videos und Instagram-Posts auf und fungiert so als Werbeträger für das Reiseziel.
Nicht zuletzt spielt der Nachhaltigkeitsgedanke eine Rolle: Da die meisten Inseln autofrei oder zumindest sehr stark reguliert sind, gilt eine Bahnverbindung als ökologisch sinnvoll und unterstützt das Image der Inseln als naturnahe Urlaubsorte.
Herausforderungen und Zukunft
Trotz ihrer nostalgischen Faszination stehen die Inselbahnen vor verschiedenen Herausforderungen:
- Wartung und Betriebskosten: Das raue Seeklima setzt den Gleisanlagen und Fahrzeugen stark zu. Sand und Salz erhöhen den Verschleiß. Regelmäßige Instandhaltungsarbeiten sind erforderlich und teuer.
- Wirtschaftlichkeit: Außerhalb der Hauptsaison sind die Fahrgastzahlen deutlich niedriger, sodass die Bahnen nicht immer kostendeckend arbeiten. Subventionen und Querfinanzierungen durch die Inselgemeinde oder das Land Niedersachsen sind häufig notwendig.
- Klimawandel: Steigende Meeresspiegel, zunehmende Sturmfluten und Veränderungen im UNESCO-Weltnaturerbe Wattenmeer könnten langfristig die Strecke beeinträchtigen. Gleichzeitig verstärkt der Klimawandel den Trend zu nachhaltigem Reisen, was eine Chance für die Inselbahnen sein kann.
- Digitalisierung und Vernetzung: Um das Reiseerlebnis optimal zu gestalten, setzen einige Inseln auf Online-Buchungssysteme und Echtzeitinformationen zur Abfahrt. Diese Modernisierung erfordert Investitionen in IT-Infrastruktur und Personal.
Zukunftsperspektiven
- Modernisierung und Erhalt: Ein zentrales Anliegen der Inselgemeinden ist der Erhalt der Bahnen als kulturelles und touristisches Erbe. Entsprechende Fördermittel sollen sicherstellen, dass Gleise, Fahrzeuge und Bahnhöfe instandgehalten werden können.
- Elektrifizierung?: Auf manchen Inseln wird diskutiert, ob die Dieselzüge durch moderne Akkutriebwagen oder andere elektrische Antriebe ersetzt werden könnten. Da die Strecken relativ kurz sind, wäre dies ein realistischer Ansatz, stößt allerdings auf finanzielle und technische Fragen (Ladestationen, Batteriekapazität etc.).
- Erweiterung von Angeboten: Sonderfahrten, Eventzüge oder kulinarische Erlebnisse an Bord könnten zusätzliche Einnahmen generieren und die Bahn für Einheimische und Touristen gleichermaßen attraktiv halten.
Insgesamt ist davon auszugehen, dass die Inselbahnen weiterhin ein wichtiger Bestandteil des Insellebens bleiben und sich zugleich Schritt für Schritt an moderne Anforderungen anpassen müssen.
Fazit
Die Inselbahnen der Ostfriesischen Inseln sind weit mehr als nur ein Transportmittel. Seit über 100 Jahren verkörpern sie die Entschleunigung und das besondere Insellebensgefühl, das Gäste und Einheimische gleichermaßen zu schätzen wissen. Ob die altehrwürdige Borkumer Kleinbahn, die Wangerooger Inselbahn unter dem Dach der Deutschen Bahn oder die liebevoll gepflegte Museumsbahn auf Spiekeroog – jede Bahn erzählt ihre eigene Geschichte und bewahrt ein wichtiges Stück technischer und kultureller Tradition.
Allerdings ist diese Tradition auch einem permanenten Wandel unterworfen: Während manch eine Bahn (etwa auf Juist und Norderney) bereits Geschichte ist, behaupten sich andere Linien bis heute erfolgreich. Sie sind das Rückgrat des Personen- und Güterverkehrs auf den Inseln, die weitgehend auf Autos verzichten und damit ein besonders nachhaltiges touristisches Profil pflegen.
Für die Zukunft stehen die ostfriesischen Inselbahnen vor der Aufgabe, sich technisch zu modernisieren und dabei ihren unverwechselbaren Charme zu bewahren. Innovative Antriebsformen können eine Rolle spielen, um den Dieselbetrieb abzulösen und so den ökologischen Fußabdruck der Inseln weiter zu reduzieren. Gleichzeitig bleibt die Herausforderung bestehen, ausreichende finanzielle Mittel für Wartung und Ausbau zu sichern, damit dieser Teil des Kulturerbes auch den künftigen Generationen zur Verfügung steht.
In einer Zeit, in der zunehmend von „Overtourism“ (Übertourismus) und Belastungen für sensible Ökosysteme die Rede ist, stehen die Inselbahnen für einen verträglichen, entschleunigten und doch effizienten Tourismus. Ihr Erhalt ist somit nicht nur eine Frage der Nostalgie, sondern auch eine Investition in die Nachhaltigkeit und Attraktivität der Ostfriesischen Inseln als einzigartiges Reiseziel an der deutschen Nordsee.
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