Baltrum, oft als das „Dornröschen der Nordsee“ bezeichnet, ist die kleinste der sieben bewohnten Ostfriesischen Inseln vor der Küste Niedersachsens. Sie liegt im Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer, der wiederum Teil des UNESCO-Weltnaturerbes ist. Durch ihre abgeschiedene Lage und die Tatsache, dass sie bis heute größtenteils autofrei geblieben ist, hat Baltrum einen besonderen Reiz für Besucher, die Ruhe, Erholung und unmittelbare Nähe zur Natur suchen. Mit einer Fläche von nur knapp 6,5 Quadratkilometern und einer Einwohnerzahl von rund 500 bis 600 Menschen gilt sie als überschaubare, familiäre Inselgemeinde mit einer ganz eigenen, entschleunigten Atmosphäre.
Wetter auf Baltrum
Bewertung: Baltrum
Über die letzten Jahrhunderte hat die Nordsee immer wieder Form und Küstenlinie der Inseln verändert, sodass auch Baltrum mehrere Umschichtungen und Verkleinerungen erfahren hat. Die Geschichte des Eilandes ist eng verknüpft mit den Gezeiten, Sturmfluten und ständigen Veränderungen des Wattenmeers. Die erste urkundliche Erwähnung der Insel reicht bis in das 14. Jahrhundert zurück, und schon früh wurde Baltrum als Anlaufpunkt für Fischer und Seefahrer geschätzt. Mit dem wachsenden Interesse am Kurbetrieb und Gesundheitstourismus im 19. Jahrhundert entwickelte sich Baltrum zudem zu einem beliebten Ferienort – eine Tradition, die bis heute fortbesteht.
Geografie
Lage
Baltrum gehört zur Inselkette der Ostfriesischen Inseln und ist der Ostfriesischen Halbinsel vorgelagert. Die Insel hat eine Länge von fünf Kilometern und eine Breite von bis zu 1,4 Kilometern. Die Fläche beträgt derzeit rund 6,5 Quadratkilometer. Sie ist damit die flächenmäßig kleinste der sieben dauerhaft bewohnten Ostfriesischen Inseln. Die geringste Entfernung zum Festland beträgt rund 4,5 Kilometer. Zwischen den Inseln und dem Festland befinden sich die Wattflächen. Teile der Insel und das Wattenmeer gehören zum Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer.
Im Westen wird Baltrum durch das Seegatt Wichter Ee von Norderney und im Osten durch das Seegatt Accumer Ee von Langeoog getrennt. Die höchste Erhebung der Insel ist eine in der Inselmitte befindliche Aussichtsdüne mit 19,3 m ü. NHN.
Der besiedelte Teil im Nordwesten der Insel besteht aus drei Teilen, dem „Westdorf“, dem „Ostdorf“ und dem „alten Ostdorf“. Baltrum verfügt über einen Fährhafen, ein Flugfeld und verschiedene Fremdenverkehrseinrichtungen. Mit knapp 600 Einwohnern ist Baltrum die zweitkleinste ostfriesische Gemeinde nach Hagermarsch und mit einigem Abstand die kleinste Einheitsgemeinde. Nach Fläche ist Baltrum die neuntkleinste Gemeinde der Region und ebenfalls die kleinste unter den Einheitsgemeinden.
Klima
Das Klima auf Baltrum entspricht dem für die Nordseeinseln typischen Seeklima. Der Golfstrom hat einen ausgleichenden Einfluss auf die Temperaturen, sodass die Sommer meist mild und die Winter relativ gemäßigt ausfallen. Die jährliche Durchschnittstemperatur liegt um 8 bis 9 Grad Celsius. Im Winter sinken die Temperaturen selten unter den Gefrierpunkt, während die Hochsommer in der Regel Temperaturen um die 20–22 Grad Celsius bringen. Wind ist ein nahezu ständiger Begleiter auf Baltrum. Insbesondere in den Wintermonaten kommt es immer wieder zu Stürmen, die teils schweren Seegang verursachen und den Schiffsverkehr beeinträchtigen können.
Niederschläge verteilen sich über das Jahr, wobei der Frühling und der Frühsommer meist etwas trockener ausfallen. Die Gischt der Nordsee und der häufig wehende Seewind sorgen für eine salzhaltige Luft, die insbesondere für Allergiker oder Menschen mit Atemwegsbeschwerden als gesundheitsfördernd gilt. Die therapeutische Wirkung des Seeklimas ist einer der Gründe, weshalb viele Kururlauber jedes Jahr die Insel ansteuern.

Ostwanderung von Baltrum
Die Gezeiten, die Strömungen, die Wellen und der Wind bewirkten im Laufe der Zeit große Veränderungen an der Insel Baltrum. Wie auf allen ostfriesischen Inseln wandert der Sand der Strände mit der vorherrschenden Windrichtung von West nach Ost. So lag das Westende von Baltrum um 1650 noch rund 4½ Kilometer westlicher und damit an einer Stelle, an der sich heute der Ostteil der Nachbarinsel Norderney befindet. Das Ostende der Insel verschob sich in dieser Zeit aufgrund des im Osten liegenden Seegatts Accumer Ee nur um rund 1,4 Kilometer. Effektiv verlor die Insel also mehrere Kilometer Länge.
Bereits mehrmals mussten Kirchbauten aufgrund der starken Landverluste versetzt werden. Seit 1872/1873 versucht der Mensch die Landverluste mit gezielten Küstensicherungsmaßnahmen aufzuhalten. Zu diesem Zweck sind auf der Insel 14 Buhnen (Buhne A bis M) gebaut worden. Der Westkopf der Insel zwischen Buhne B und D wird zusätzlich durch eine im Verhältnis 1:4 geneigte Schrägdeckwerkskonstruktion aus schweren Wasserbausteinen geschützt, die im oberen Teil auch als Promenade mit zwei Wandelbahnen genutzt wird. Im Bereich der Buhne B und E bis N schließt sich ein weiteres Schrägdeckwerk mit Berme an. Trotzdem verursachen die Sturmfluten in den Wintermonaten immer wieder erhebliche Schäden.
Geschichte
Bereits im 1. Jahrhundert n. Chr. berichteten die antiken Autoren Strabon und Plinius über die Existenz einer Insel, die Baltrum gewesen sein könnte.
Erste urkundliche Erwähnung und Häuptlingszeit
Während der Häuptlingszeit (1350–1464) gehörten die Ostfriesischen Inseln zum Herrschaftsbereich der Familie tom Brok. Baltrum wurde erstmals 1398 urkundlich erwähnt, als Widzel tom Brok die Insel „Balteringe“ dem Herzog Albrecht von Bayern überließ und anschließend als Lehen zurückerhielt.
Unter der Herrschaft der Cirksena
1464 erhob Kaiser Friedrich III. Ulrich Cirksena in den Reichsgrafenstand, wodurch eine neue Verwaltungsstruktur geschaffen wurde. Die Insel wurde dem Amt Berum zugeteilt, das die Angelegenheiten Baltrums überwachte. Ein Inselvogt, oft gleichzeitig Inselpastor, fungierte als Verwaltungsverantwortlicher.
Landverluste und Ostwanderung
Im 17. Jahrhundert besaß Baltrum die typische Form einer Barriereinsel. Aufgrund von Erosion wanderte sie bis 1960 rund fünf Kilometer nach Osten, wobei das Ostende sich nur geringfügig veränderte. Ein Bericht von 1650 beschreibt, dass die wenigen Bewohner der Insel durch Sturmfluten stark gefährdet waren.
Leben und Wirtschaft im 18. Jahrhundert
Um 1700 lebte die Bevölkerung hauptsächlich vom Fischfang und sammelte Eier sowie Kaninchen zur Nahrungsversorgung. Abgaben wurden meist in Naturalien gezahlt, darunter getrocknete Schollen und Vogeleier, die an den Pastor in Hage und den Amtmann in Berum geliefert wurden.
1737 gab es ein kleines Inseldorf mit einer Kirche, das um 1800 aufgrund wandernder Dünen aufgegeben wurde. Eine Sturmflut von 1825 zerstörte das damalige Westdorf fast vollständig, woraufhin die Siedlungsstruktur neu geordnet wurde.
Preußische Zeit
Im 18. Jahrhundert wurde Baltrum Teil Preußens. Die Bevölkerung betrieb Fischerei, insbesondere Schollen- und Aalfang, und nutzte die reichen Austernbänke vor der Küste. Auch der Schillfang – das Sammeln von Muschelschalen zur Kalkherstellung – wurde wirtschaftlich bedeutend.
19. Jahrhundert
Während der Napoleonischen Herrschaft (ab 1810) wurde auf Baltrum eine französische Küstenbatterie errichtet. Ab den 1870er-Jahren entstanden erste Küstenschutzmaßnahmen, darunter Buhnen und Deckwerke. 1876 wurde Baltrum offiziell zum Seebad, und der Tourismus begann sich langsam zu entwickeln. Erste Hotels öffneten Ende des 19. Jahrhunderts, doch die Besucherzahlen blieben gering.
20. Jahrhundert
1923 verbrachte der Maler Paul Klee einige Wochen auf der Insel und schuf zahlreiche Werke. In den 1920er-Jahren förderte Wilhelm Vogel, langjähriger Badedirektor und Bürgermeister, den Tourismus und prägte den noch heute bekannten Werbeslogan „Baltrum – Das Dornröschen der Nordsee“.
1927 nahm die erste regelmäßige Fährverbindung zwischen Baltrum und Norddeich ihren Betrieb auf, was den Fremdenverkehr spürbar ankurbelte. Während des Zweiten Weltkriegs wurde die Insel in den geplanten „Friesenwall“ integriert, doch die militärischen Anlagen blieben begrenzt.
Nach Kriegsende nahm der Tourismus rasch wieder Fahrt auf. 1949 erhielt Baltrum die staatliche Anerkennung als Heilbad. In den 1950er- und 1960er-Jahren wuchs die Gästezahl kontinuierlich, und 1966 wurde Baltrum als Nordseeheilbad anerkannt.
Historische Kulturlandschaft und Namensherkunft
Das Ostdorf gilt als historisch bedeutende Kulturlandschaft mit denkmalgeschützten Häusern aus dem 19. Jahrhundert.
Die Herkunft des Namens Baltrum ist nicht eindeutig geklärt. Mögliche Erklärungen reichen von einer Ableitung des Personennamens Baldrad bis hin zu einem altfriesischen Begriff für „Weideland“ oder einer Verbindung zum germanischen Gott Balder.
Wappen
Blasonierung: Auf blauem Grund steht ein goldener Glockengalgen auf einem dreiteiligen goldenen Hügel. In seiner Mitte hängt eine goldene Glocke, flankiert von zwei sechszackigen goldenen Sporenrädern.

Der Glockengalgen ist seit dem 19. Jahrhundert ein bedeutendes Wahrzeichen Baltrums und daher das zentrale Element des Wappens. Die Sporenräder symbolisieren die historische Verbindung zum ehemaligen Landkreis Norden und sind aus dem Wappen der Häuptlingsfamilie Idzinga entnommen. Sie tauchen auch in anderen Gemeindewappen des Norderlandes auf. Der goldene Dreiberg repräsentiert die sandige Dünenlandschaft der Insel, während die Farben Gold und Blau die Verbindung von Sand und Meer widerspiegeln.
Die Flagge von Baltrum besteht aus zwei waagerechten, gleich breiten Streifen – oben blau und unten gelb. In der Mitte befindet sich das Wappen der Insel.
Kultur und Sehenswürdigkeiten
Museen und Ausstellungen
Das Heimatmuseum im alten Zollhaus wurde 2007 eröffnet und gibt in vier Räumen sowie zwei Galerien Einblick in die heimatkundliche und naturkundliche Geschichte Baltrums. Es befindet sich im ehemaligen Wohnhaus der Zollbeamten und wird jährlich von etwa 5500 Besuchern besichtigt.
Das Nationalpark-Haus Baltrum wurde 1987 in einem früheren Schuppen der Reederei Baltrum Linie eingerichtet. Die Ausstellung konzentriert sich auf das Thema Gezeiten und bietet interaktive Informationen zum Wattenmeer.
Sehenswürdigkeiten
- Alte Inselkirche: Die Alte Inselkirche, erbaut 1826, ist das zweitälteste erhaltene Gotteshaus der Ostfriesischen Inseln. Sie bietet nur Platz für rund 50 Personen. Ihr Glockengerüst enthält eine Glocke eines vor Baltrum gestrandeten holländischen Segelschiffs, die als „Inselglocke“ zum Wahrzeichen der Insel wurde. Heute wird die Kirche vor allem für Trauungen, Taufen und kulturelle Veranstaltungen genutzt.
- Große evangelisch-lutherische Inselkirche: Die Große evangelisch-lutherische Inselkirche entstand 1929/30 als Ersatz für die Alte Inselkirche, da die Besucherzahlen stetig stiegen. Sie bietet Platz für 300 Personen und erhielt 1964/65 einen erhöhten Turm sowie zwei zusätzliche Glocken.
- Katholische Kirche St. Nikolaus: Die katholische Kirche St. Nikolaus wurde 1957 geweiht. Sie besteht aus einem geschlossenen Winterkirchenraum mit 50 Plätzen und einer offenen Sommerkirche für bis zu 300 Personen. Entworfen wurde sie vom Osnabrücker Architekten Heinrich Feldwisch-Drentrup, die farbigen Glasfenster stammen von Margarete Franke.
- Historisches Pfahlschutzwerk: Das Historische Pfahlschutzwerk, ein Relikt aus dem Küstenschutz des 19. Jahrhunderts, befindet sich zwischen Westkopf und Hafen. Die 300 Meter lange Holzkonstruktion diente als Wellenbrecher, bevor sie in den 1920er-Jahren durch eine Betonanlage ersetzt wurde. 2008 wurde sie erneut restauriert und steht unter Denkmalschutz.
- Baltrumer Gezeitenpfad: Der Baltrumer Gezeitenpfad, ein sieben Kilometer langer Lehrpfad, wurde 2006 zum 20-jährigen Bestehen des Nationalparks Niedersächsisches Wattenmeer angelegt. Entlang von 22 Stationen erhalten Besucher Einblicke in die Gezeiten, den Küstenschutz und die Entwicklung der Insel.
- Museum Altes Zollhaus: Das Heimatmuseum zeigt Ausstellungen zur Inselgeschichte und zum Alltagsleben der Insulaner.
- Westkopf: Ein Spaziergang zum Westende der Insel bietet bei klarem Wetter einen Panoramablick auf Norderney, die Seehundbänke und das Schiffswrack „Capella“ von 1968.
- Nationalpark-Haus Baltrum: Das Informationszentrum des Nationalpark-Hauses Baltrum bietet Einblicke in die Gezeiten und die Natur des Wattenmeeres.
Grünanlagen
Der Rosengarten, eine kleine Parkanlage in einem Kiefernwäldchen zwischen West- und Ostdorf, wird von einer ehrenamtlichen Gemeinschaft gepflegt und gilt als der kleinste Kurpark Deutschlands.
Regelmäßige Veranstaltungen
- Strandturnen und Strandsingen: Eine Tradition, die seit 1946 von Stammgästen und Insulanern während der Sommersaison organisiert wird.
- Mai: „Inselwitz“ – Cartoons am Strand (seit 2010)
- Juni: „Meer Homöopathie Seminar“ – Fortbildungsveranstaltung (seit 2009)
- Juli: Baltrumer Gäste-Tennisturnier (seit 1957)
- September: Bridge-Turnier um den Nordsee-Cup (seit 1994)
Kulinarik
Die baltrumer Küche greift auf das zurück, was die Nordsee und die nahen Küstenregionen anbieten. Frischer Fisch, Krabben und auch Lammfleisch von Deichschafen gelten als Delikatessen. In Restaurants und Gaststätten wird häufig auf regionale Produkte Wert gelegt. Eine besondere Spezialität der Region ist das Krabbenbrot, bei dem frisch gefangene und gekochte Nordseekrabben auf dunklem Graubrot serviert werden. Daneben sind traditionelle ostfriesische Teekultur und Gebäck wie Friesentorte oder Hefekuchen sehr beliebt. Die Insel hat in den letzten Jahren auch modernere Einflüsse in ihre Gastronomie aufgenommen, doch liegt der Fokus weiterhin auf bodenständigen Gerichten.
Naturschutz und Umwelt
Schutzstatus
Baltrum befindet sich im Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer, der 1986 gegründet wurde und seit 2009 Teil des UNESCO-Weltnaturerbes ist. Durch diesen Status gelten strenge Bestimmungen zum Schutz der einzigartigen Wattenmeerlandschaft. Die Insel darf ihre Dünen, Salzwiesen und Strände nur begrenzt bebauen. Viele Bereiche sind als Schutzzonen ausgewiesen, in denen besondere Verhaltensregeln gelten, etwa ein Betretungsverbot für bestimmte Vogelschutzgebiete während der Brutzeit.
Flora und Fauna
Das Wattenmeer rund um Baltrum ist ein wichtiger Lebensraum für Zugvögel. Hier rasten jedes Jahr Hunderttausende von Zugvögeln auf ihrem Weg zwischen arktischen Brutgebieten und afrikanischen Winterquartieren. Zu den häufig anzutreffenden Vogelarten zählen: Austernfischer, Brandgänse, Rotschenkel, Knutts und viele andere Wat- und Wasservögel. Für Naturfreunde ist dies ein Eldorado der Vogelbeobachtung.

Auf den Salzwiesen gedeihen Spezialisten wie Queller, Strandaster, Strandwermut und das Salzschlickgras. Die Dünenbereiche sind oft von Strandhafer, Strandroggen und anderen Pionierpflanzen bewachsen, die die Dünen stabilisieren und so zum Küstenschutz beitragen. Innerhalb der Insel finden sich auch kleine Gartenflächen, in denen Insulaner Obst und Gemüse anbauen. Aufgrund des maritimen Klimas und der salzhaltigen Luft sind die Erträge begrenzt.
In den umliegenden Gewässern tummeln sich Seehunde und Kegelrobben. Vor allem Seehundbänke sind ein beliebtes Ziel für Ausflugsfahrten, allerdings müssen strenge Abstände eingehalten werden, um die Tiere nicht zu stören. Auch Schweinswale werden gelegentlich in den Gewässern gesichtet.
Umweltherausforderungen
Der Klimawandel und die damit einhergehende Erhöhung des Meeresspiegels stellen langfristig eine Gefahr für die Insel dar. Zwar sorgen Küstenschutzmaßnahmen dafür, dass Baltrum gut geschützt ist, doch bei stark zunehmenden Sturmfluten könnte es zukünftig schwieriger werden, die Insel in ihrer jetzigen Form zu erhalten. Darüber hinaus stellt der Tourismus eine Herausforderung für die sensible Natur dar. Zwar setzt Baltrum auf nachhaltige Konzepte, dennoch hinterlassen die jährlich mehreren Tausend Besucher einen ökologischen Fußabdruck. Touristische Aktivitäten müssen daher weiterhin streng gelenkt werden, um die empfindlichen Lebensräume zu schonen.
Wirtschaft und Infrastruktur
Der Tourismus ist der Haupterwerbszweig für die meisten Insulaner. Über 75 % der Erwerbstätigen auf Baltrum sind in der Tourismusbranche beschäftigt oder arbeiten in eng verwandten Bereichen wie Gastronomie, Beherbergung oder Einzelhandel. Gerade in den Sommermonaten strömen Gäste auf die Insel, um am Strand zu verweilen, Wattwanderungen zu unternehmen oder einfach dem Alltagsstress zu entfliehen. Die Tourismuswirtschaft auf Baltrum ist stark saisonabhängig, wobei die Hauptsaison von Mai bis September reicht.
Tourismus
Baltrum wurde 1876 offiziell als Seebad anerkannt, doch die touristische Entwicklung verlief zunächst langsam. Seit 1966 trägt die Insel den Titel eines staatlich anerkannten Nordseeheilbads. Erste Hotels entstanden Ende des 19. Jahrhunderts, darunter das Hotel Küper (1892) und das Hotel zur Post (1895). Vor dem Zweiten Weltkrieg verzeichnete Baltrum pro Saison rund 5000 bis 6000 Gäste, 1960 waren es bereits fast 17.000. Seit den 1970er-Jahren überschreitet die Zahl der Besucher in der Hauptsaison regelmäßig 30.000. Mit rund 3000 gleichzeitigen Gästen während der Saison erreicht die Insel ihre Kapazitätsgrenze. Im Vergleich zu anderen Ostfriesischen Inseln wurde der Tourismus auf Baltrum relativ spät ausgebaut.
Ein wichtiger Bestandteil der touristischen Infrastruktur ist das Kur- und Heilmittelzentrum im Westdorf, das „SindBad“, welches 1999 modernisiert wurde. Es umfasst ein Meerwasser-Therapiebecken, eine Sauna- und Badelandschaft sowie einen Wellness-Bereich mit physiotherapeutischen Anwendungen.
Für Jugendliche und Gruppen bietet die „Jugendbildungsstätte Baltrum“ (JuBi) des Niedersächsischen Turner-Bunds seit 1967 Unterkunftsmöglichkeiten. Die Einrichtung verfügt über ein Haus mit 25 Betten, das in der Sommersaison durch einen Zeltplatz auf bis zu 100 Plätze erweitert wird. Pro Jahr werden hier etwa 14.000 Übernachtungen gezählt.
Baltrum vermarktet sich seit den 1920er-Jahren unter dem Slogan „Baltrum – Dornröschen der Nordsee“, der auf den ehemaligen Badedirektor Wilhelm Vogel zurückgeht. Heute lautet das Motto leicht abgewandelt „Baltrum – Mein Dornröschen der Nordsee“. Zudem ist die Insel Mitglied der Marketingorganisation „Die Nordsee GmbH“, die die sieben Ostfriesischen Inseln sowie 15 Küstenorte vertritt und für gemeinsames Marketing, Veranstaltungen und die Klassifizierung von Ferienunterkünften zuständig ist.
Freizeitaktivitäten
- Wassersport: Die örtlichen Surf- und Kiteschulen bieten ideale Bedingungen, um verschiedene Wassersportarten auszuprobieren. Ob beim Kitesurfen den Wind nutzen, beim Windsurfen über die Wellen gleiten oder mit dem Kajak die Küste entlang paddeln – für Einsteiger und Fortgeschrittene gibt es passende Kurse und Verleihmöglichkeiten. Besonders die windreichen Bedingungen der Nordsee sorgen für ein abwechslungsreiches und spannendes Erlebnis auf dem Wasser.
- Wattwanderungen: Das UNESCO-Weltnaturerbe Wattenmeer ist ein einzigartiger Lebensraum, der sich besonders bei einer geführten Wattwanderung intensiv erleben lässt. Barfuß über den Meeresboden laufen, Krebse und Muscheln entdecken und Spannendes über die Tier- und Pflanzenwelt erfahren – diese Touren bieten eine besondere Verbindung zur Natur. Je nach Wasserstand und Route können verschiedene Abschnitte erkundet werden, darunter auch Touren zu den nahegelegenen Sandbänken oder Inseln.
- Strandaktivitäten: Der 7 Kilometer lange weiße Sandstrand lädt zum Entspannen und Aktivsein ein. Ob beim Sonnenbaden in einem der klassischen Strandkörbe, beim Schwimmen in der Nordsee oder bei ausgedehnten Spaziergängen entlang der Küste – für jeden ist etwas dabei. Familien mit Kindern finden flache Uferzonen zum Spielen, während Wassersportler ideale Bedingungen für Aktivitäten auf dem Wasser vorfinden. Am östlichen Ende des Strandes gibt es zudem einen ausgewiesenen Hundestrand, an dem Vierbeiner frei laufen und im Wasser toben können. Rettungsschwimmer der Deutschen Lebensrettungsgesellschaft DLRG bewachen den Strand von Mai bis Oktober.
- Drachenstrand: Auf Baltrum ist das Drachensteigen ausschließlich am ausgewiesenen Drachenstrand östlich des Hundestrandes gestattet. Dort können große und kleine Drachenpiloten ihre Flugkünste zeigen, ohne andere Gäste zu stören. Wer keinen eigenen Drachen besitzt, kann vor Ort verschiedene Modelle erwerben.
- SindBad: Wenn das Wetter einmal nicht mitspielt, bietet das Meerwasserschwimmbad „SindBad“ eine wetterunabhängige Alternative für Erholung und Badespaß. Das Bad verfügt über beheizte Meerwasserbecken, einen Wellnessbereich mit Sauna und verschiedene Entspannungsangebote. Für Familien gibt es ein separates Kinderbecken und Rutschen, während Wellnessgäste in den Ruhezonen oder bei Massagen entspannen können. Ein idealer Ort, um sich aufzuwärmen und die Nordsee-Atmosphäre auch bei schlechtem Wetter zu genießen.
- Cobigolf: Cobigolf ist eine besondere Minigolfvariante, die auf festem Betonboden gespielt wird und etwas andere Regeln als klassisches Minigolf hat. Die nördlichste Cobigolfanlage Deutschlands lädt zu entspannten Runden mit Familie oder Freunden ein. Hier können Hobbyspieler ihr Geschick unter Beweis stellen oder an offiziellen Turnieren wie dem Nordsee-Pokal teilnehmen. Die Kombination aus sportlicher Herausforderung und maritimer Atmosphäre macht das Spielen zu einem besonderen Erlebnis.
Strandkörbe können bequem online auf der Seite www.baltrum.de gebucht werden. Ab 2025 sind nur noch Online-Buchungen möglich.
Verkehr
Inselverkehr
Baltrum ist nahezu autofrei – Kraftfahrzeuge sind grundsätzlich nicht zugelassen, abgesehen von wenigen Ausnahmefahrzeugen wie denen der Feuerwehr oder für den Küstenschutz. Pferdekutschen und Fahrräder prägen das Verkehrsbild. Touristen nutzen für ihr Gepäck Bollerwagen oder lassen sich mit der Pferdekutsche transportieren.
Die Insel besitzt keine Straßennamen, sondern nur Hausnummern, die chronologisch nach Bauzeit vergeben wurden. Seit 2022 gibt es einen Fahrradverleih, doch Gäste werden gebeten, eigene Fahrräder nicht mitzubringen.
Zu Fuß kann Baltrum bei Niedrigwasser durch eine geführte Wattwanderung in rund zweieinhalb Stunden von Neßmersiel aus erreicht werden.
Schiffsverkehr
Die Reederei Baltrum-Linie betreibt eine gezeitenabhängige Fährverbindung von Neßmersiel zur Insel. Die Überfahrt dauert etwa 30 Minuten, wobei je nach Saison und Gezeiten bis zu vier Abfahrten täglich stattfinden. Das Gepäck der Gäste wird in Containern transportiert. Ein besonderes Erlebnis ist die Passage an den Seehundbänken vor Norderney.
Der Frachtverkehr lief bis 2006 über Norddeich, wird aber seither über den erweiterten Hafen in Neßmersiel abgewickelt.
Flugverkehr
Der Flugplatz Baltrum ermöglicht es kleinen Flugzeugen, die Insel auf dem Luftweg zu erreichen.
Ehemalige Inselbahn
Von 1949 bis 1985 existierte auf Baltrum eine schmalspurige Inselbahn (600 mm), die ausschließlich dem Gütertransport diente.
Rettungsstation der DGzRS
Seit 1972 betreibt die Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger (DGzRS) eine Station im Inselhafen. Hier ist ein Seenotrettungsboot stationiert, das von freiwilligen Rettern bemannt wird.
Praktische Hinweise für Besucher
Anreise und Mobilität
- Fähre: Die Insel ist ausschließlich per Fähre von Neßmersiel aus erreichbar. Die Überfahrt dauert etwa 30 Minuten und ist gezeitenabhängig. Gäste sollten die aktuellen Fahrpläne der Reederei Baltrum-Linie beachten.
- Wattwanderung: Alternativ ist eine geführte Wattwanderung bei Ebbe möglich.
- Flugplatz: Kleine Sportflugzeuge können auf dem Flugplatz Baltrum landen.
- Autofreie Insel: Besucher transportieren ihr Gepäck mit Handwagen oder Pferdekutschen. Seit 2022 gibt es einen Fahrradverleih.
Unterkunft und Verpflegung
- Übernachtungsmöglichkeiten: Hotels, Pensionen, Ferienwohnungen und Gästehäuser sind verfügbar. Frühzeitige Buchung wird empfohlen.
- Einkaufsmöglichkeiten: Ein kleiner Supermarkt, Bäckereien und weitere Geschäfte decken den täglichen Bedarf.
- Gastronomie: Von Fischrestaurants bis hin zu internationalen Küchen gibt es diverse Angebote. Die ostfriesische Teekultur ist besonders hervorzuheben.
Aktivitäten und Freizeit
- Strand: Der feinsandige Nordstrand lädt zum Baden, Sonnen und Spazieren ein.
- Wattwanderungen: Geführte Touren durch das UNESCO-Weltnaturerbe Wattenmeer sind empfehlenswert.
- Wassersport: Möglichkeiten zum Kitesurfen, Windsurfen und Segeln.
- Gezeitenpfad: Ein Lehrpfad informiert über Küstenlandschaft und Umweltthemen.
- SindBad: Meerwasserschwimmbad mit Sauna und Wellnessbereich.
Klima und Kleidung
- Wechselhaftes Klima: Windig mit milden Sommern und kühlen Wintern.
- Empfohlene Kleidung: Wetterfeste Kleidung, feste Schuhe für Wattwanderungen und Sonnenschutz im Sommer.
Gesundheitsversorgung und Sicherheit
- Medizinische Versorgung: Arztpraxis und Apotheke auf der Insel.
- Notfälle: Ein Rettungshubschrauber kann Verletzte oder Erkrankte aufs Festland bringen.
- Sicherheit: Die Insel verfügt über eine Freiwillige Feuerwehr und eine Seenotrettungsstation der DGzRS.
Nachhaltigkeit und Verhalten
- Naturschutz: Besucher sollten markierte Wege nutzen, um Dünen und Salzwiesen zu schützen.
- Müllvermeidung: Abfälle umweltgerecht entsorgen.
- Hunde: In Schutzgebieten an der Leine führen.
- Ruhiges Reiseziel: Ideal für Erholungssuchende, die nachhaltigen Tourismus schätzen.
Fazit
Baltrum, die kleinste bewohnte Ostfriesische Insel, vereint Natur, Geschichte und nachhaltigen Tourismus. Als Teil des UNESCO-Weltnaturerbes Wattenmeer steht der Schutz des empfindlichen Ökosystems im Fokus. Dünen, Salzwiesen und das Watt bieten Lebensräume für zahlreiche Tierarten und ein intensives Naturerlebnis für Besucher.
Die Insel hat sich von einer Fischer- und Bauerngemeinde zum Seebad entwickelt. Heute prägen autofreie Wege, plattdeutsche Traditionen und ein entschleunigtes Inselleben den Alltag. Der Klimawandel und die Abwanderung junger Menschen stellen Herausforderungen dar, doch nachhaltige Tourismuskonzepte und Digitalisierung bieten Zukunftsperspektiven. Baltrum bleibt ein besonderer Ort für Erholungssuchende und Naturfreunde.
Kontakt und Location
Gemeinde Baltrum
Westdorf 130
D-26579 Baltrum
Telefon: 04939/800
E-Mail: gemeinde@baltrum.de
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