Marienhafe ist eine Marktgemeinde im Landkreis Aurich in Ostfriesland, Nordwestdeutschland. Sie ist Verwaltungssitz der Samtgemeinde Brookmerland und eine der kleinsten Gemeinden in Niedersachsen. Marienhafe hat eine Fläche von 4,06 km² und rund 2.510 Einwohner (Stand 31. Dezember 2023). Der Ort ist insbesondere bekannt durch die Legende des Seeräubers Klaus Störtebeker, der hier im Mittelalter Zuflucht gefunden haben soll. Zur Gemeinde zählt auch der Ortsteil Tjüche nördlich des Ortskerns.
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Geografie
Lage
Marienhafe liegt im westlichen Teil der ostfriesischen Halbinsel, etwa 20 Kilometer nordöstlich der Seehafenstadt Emden und 10 Kilometer südöstlich der Stadt Norden. Die Gemeinde grenzt an fünf Nachbargemeinden: im Nordwesten an Osteel, im Nordosten an Leezdorf, im Osten an Rechtsupweg, im Süden an Upgant-Schott und im Südwesten an Wirdum. Unmittelbar bei Marienhafe entspringt die Abelitz, ein kleiner Fluss, der in das Alte Greetsieler Sieltief mündet und so eine Verbindung zum ostfriesischen Wasserstraßennetz herstellt.
Gliederung
Die Gemeinde Marienhafe besteht aus dem Hauptort (dem historischen Marktflecken) und dem nördlich angrenzenden Ortsteil Tjüche. Dieser vormals eigenständige Nachbarort wurde am 01. Juli 1972 im Zuge der Gebietsreform in Niedersachsen nach Marienhafe eingemeindet. Der Ortskern Marienhafes konzentriert sich um die Marienkirche und den Marktplatz; die weitere Besiedlung dehnt sich entlang der abzweigenden Straßen nach Norden (Richtung Tjüche) und Süden aus. Das Umland ist durch Geest- und Marschböden geprägt und weist teils feuchte und moorige Eiegenschaften auf, da das Meer im 14. Jahrhundert bis in diese Gegend vordrang.
Geschichte
Frühgeschichte
Das Gebiet um Marienhafe war vermutlich bereits im frühen Mittelalter besiedelt. Funde von Keramikscherben weisen auf Bewohner um das 8. bis 9. Jahrhundert hin. Möglicherweise existierte auf dem heutigen Kirchhügel schon vor der Christianisierung eine Siedlung oder ein Heiligtum; später wurde dort eine hölzerne Kapelle vermutet.
Ortsname und Gründung
Erstmals urkundlich erwähnt wurde Marienhafe am 16. Februar 1250 als „curia sancte Marie“ („Hof der heiligen Maria“). Der Name bezog sich ursprünglich auf den eingefriedeten Hof rund um die damalige Marienkirche und nicht – wie man vermuten könnte – auf einen Hafen. Weitere historische Bezeichnungen waren u.a. Marienhove, Marienhoff und Marjenhafe, bevor sich im 18. Jahrhundert die heutige Schreibweise etablierte. Als Marktsiedlung wurde Marienhafe im Jahr 1424 erstmals ausdrücklich genannt, nachdem es durch einen Schiedsspruch des Bremer Erzbischofs den Status eines Fleckens erhalten hatte. Zu dieser Zeit gehörte das Brookmerland, in dem Marienhafe liegt, zu den autonomen Landesgemeinden Ostfrieslands mit eigenem Recht (Brokmerbrief) und wurde von lokalen Häuptlingen regiert.

Mittelalterliche Blüte
Im 13. Jahrhundert entstand in Marienhafe eine große Kirche (Marienkirche), die zeitweise als die größte Kirche Ostfrieslands galt. Sie besaß ursprünglich drei Kirchenschiffe und einen massiven, etwa 80 Meter hohen Turm. Wegen ihres kastenförmigen Turms mit unterschiedlichen Dachdeckungen – Kupferplatten auf der Nordseite und Schiefer auf der Südseite – diente die Kirche den Seefahrern als wichtiges Seezeichen. Von der See betrachtet wechselte die Farbe des Daches je nach Blickrichtung zwischen Kupfer und Schiefer, was Eingeweihten den Weg durch die Leybucht und andere Prielen wies. Die Bezeichnungen Leybucht (von altdeutsch „Ley“ für Schiefer) und Kuipersand („Kuiper“ für Kupfer) in den nahen Wattengebieten gehen direkt auf diese Besonderheit der Marienhafer Kirche zurück. Ohne dieses Insider-Wissen blieb der damalige Hafen Marienhafes für fremde Schiffe praktisch uneinnehmbar.
Störtebeker und Spätmittelalter
Der legendäre Vitalienbruder und Pirat Klaus Störtebeker soll gegen Ende des 14. Jahrhunderts in Marienhafe Unterschlupf gefunden haben. Der Überlieferung nach revanchierte er sich, indem er den lokalen Häuptlingen des Brookmerlandes im Kampf um die Vorherrschaft in Ostfriesland beistand. An die Störtebeker-Legende knüpfen bis heute viele lokale Geschichten und Attraktionen an. So trägt der erhaltene Kirchturm der Marienkirche den Beinamen Störtebekerturm und 1992 wurde nahe dem Marktplatz ein bronzenes Störtebeker-Denkmal errichtet (geschaffen vom Bildhauer Karl-Ludwig Böke).
Neuzeit und Moderne
Durch die schleichende Verlagerung der Küstenlinie im späten Mittelalter verlor Marienhafe seine direkte Anbindung ans Meer. Heute liegt der Ort im Binnenland und besitzt keinen Hafen mehr. Die Kirche büßte ihre Bedeutung als Seezeichen ein und die Instandhaltung des riesigen Bauwerks überstieg die Möglichkeiten der kleinen Gemeinde. Im Jahr 1829 wurden deshalb der Turm und die Kirchenschiffe bis auf einen Rest zurückgebaut, sodass die Kirche seitdem deutlich kleiner ist. Im 19. Jahrhundert entwickelte sich Marienhafe zu einem lokalen Handels- und Handwerkszentrum im landwirtschaftlich geprägten Brookmerland. Während der Napoleonischen Zeit Anfang des 19. Jahrhunderts war Marienhafe Verwaltungssitz einer Mairie im Département Ems-Oriental (Frankreich). Nach dem Übergang an Preußen gehörte der Flecken von 1885 bis 1977 zum Landkreis Norden und seither zum Landkreis Aurich.
Die Eingemeindung von Tjüche zum 01. Juli 1972 verstärkte Marienhafes Position als zentraler Ort im Brookmerland. 1969 wurde die Samtgemeinde Brookmerland gegründet, zu der neben Marienhafe fünf weitere Nachbargemeinden gehören. Marienhafe übernahm darin die Rolle des Verwaltungssitzes. Seit dem 01. November 2006 trägt der Ort offiziell den Titel „Staatlich anerkannter Erholungsort“, womit die Bedeutung des Tourismus in der Gemeinde unterstrichen wird. Im frühen 21. Jahrhundert wurden Infrastruktur und kulturelles Angebot weiter ausgebaut, wobei die Pflege des historischen Erbes (z. B. Störtebeker-Tradition) bis heute einen hohen Stellenwert genießt.
Wappen
Das Wappen von Marienhafe spiegelt die lokale Geschichte wider. Es ist zweigeteilt in Rot und Gold: Oben zeigt es einen goldenen Adler mit Krone, unten einen gesenkten roten Anker zwischen zwei umgekehrten roten Trinkbechern. Der Adler entstammt dem Wappen der Häuptlingsfamilie tom Brok, die im Mittelalter im Brookmerland herrschte. Der Anker symbolisiert den ehemaligen Hafen und die Tatsache, dass Marienhafe einst ein Zufluchtsort der Vitalienbrüder (Piraten) war. Die beiden Becher stehen für den Piraten Störtebeker („Stürz den Becher“), der der Legende nach zwei umgestürzte Becher in seinem Wappen geführt haben soll.

Wirtschaft und Infrastruktur
Wirtschaft
Als zentraler Ort der Samtgemeinde Brookmerland verfügt Marienhafe über diverse Einrichtungen zur Deckung des täglichen Bedarfs. Im historischen Ortskern befinden sich Supermärkte, Bäckereien, Banken und Apotheken sowie einige Fachgeschäfte. Außerdem tragen mehrere Gastronomiebetriebe, Cafés und Hotels zur örtlichen Versorgung und zur Belebung des Tourismus bei. Der traditionelle Wochenmarkt am Marktplatz und saisonale Veranstaltungen (siehe Abschnitt Sehenswürdigkeiten und Tourismus) stärken ebenfalls den lokalen Handel.
Größere Industriebetriebe sind in Marienhafe selbst nicht ansässig; die Wirtschaft ist geprägt von Handwerksunternehmen, Dienstleistern und dem mittelständischen Einzelhandel. Viele erwerbstätige Einwohner pendeln zu Arbeitsplätzen in umliegenden Städten wie Norden, Emden oder Aurich. Durch die Anerkennung Marienhafes als Erholungsort im Jahr 2006 gewinnen auch der Fremdenverkehr und damit verbundene Dienstleistungen (Ferienwohnungen, Gastronomie, Freizeiteinrichtungen) an Bedeutung. Die Gemeinde unterhält ein beheiztes Freibad und einen Wohnmobil-Stellplatz, um Bewohnern und Besuchern Freizeitmöglichkeiten zu bieten.
Verkehr
Marienhafe ist verkehrstechnisch gut angebunden. Durch den Ort verläuft die Bundesstraße 72, die die ehemalige Kreisstadt Norden mit der Autobahn bei Emden (Anschlussstelle Georgsheil) verbindet. In Ost-West-Richtung quert zudem die Landesstraße 26 das Gemeindegebiet und stellt Verbindungen ins benachbarte Osterupgant und nach Wirdum her.
Bedeutend ist auch der Anschluss an das Schienennetz: Marienhafe besitzt einen Bahnhof an der Bahnstrecke Emden–Norddeich Mole. Hier verkehren im Stundentakt Regional-Express-Züge von Norddeich über Emden und Oldenburg nach Hannover. Seit dem Fahrplanwechsel im Dezember 2013 halten in Marienhafe zudem Intercity-Fernzüge, die zuvor zwischen Oldenburg und Norddeich durchfuhren. So bestehen direkte IC-Verbindungen von Marienhafe etwa nach Leipzig/Cottbus sowie über das Ruhrgebiet bis nach Köln und Koblenz. Zwischen Norddeich und Bremen können diese Fernzüge mit Nahverkehrstickets genutzt werden. Der nächste Fernbus-Halt und der nächstgelegene Autobahnanschluss (A31, Emden) sind jeweils rund 20 km entfernt. Für den innergemeindlichen und regionalen Verkehr sorgen Buslinien des Verkehrsverbunds Ostfriesland.
Sehenswürdigkeiten und Tourismus
Marienkirche und Störtebeker-Denkmal
Die wichtigste Sehenswürdigkeit Marienhafes ist die historische Marienkirche mit ihrem markanten Turm. Von der ehemals dreischiffigen Basilika aus dem 13. Jahrhundert ist nach den Abbrüchen von 1829 zwar nur ein Teil erhalten, doch ragt der wuchtige Backsteinturm – der Störtebekerturm – noch heute weithin über den Ort. Im Turm der Kirche befindet sich ein kleines Kirchenmuseum, das an die Geschichte des Gotteshauses und die Störtebeker-Sage erinnert. Die Kirche wird weiterhin für Gottesdienste der evangelisch-lutherischen Gemeinde genutzt und kann außerhalb der Kirchenzeiten im Rahmen von Führungen besichtigt werden. Unweit der Kirche, am Marktplatz, steht seit 1992 ein bronzenes Klaus-Störtebeker-Denkmal, das an den sagenumwobenen Piraten erinnert. Diese überlebensgroße Statue ist ein beliebtes Fotomotiv für Touristen.

Weitere sehenswerte Bauwerke
Neben Kirche und Piratendenkmal besitzt Marienhafe weitere sehenswerte Bauwerke. Eine davon ist die alte Windmühle am nördlichen Ortsrand (Richtung Tjüche). Das zweistöckige Galerieholländer-Windmühlengebäude stammt aus dem 19. Jahrhundert und steht zusammen mit den angrenzenden Magazinschuppen und dem ehemaligen Müllerhaus unter Denkmalschutz. Die Mühle prägt mit ihren Flügeln das Landschaftsbild und erinnert an die landwirtschaftliche Tradition der Gegend; in den Sommermonaten wird sie gelegentlich für Besichtigungen oder Kulturveranstaltungen geöffnet. Im Ortskern zeugen zudem historische Giebelhäuser und der Marktplatz mit dem alten Hotel „Zur Waage“ (einer früheren Poststation) von der langen Geschichte des Fleckens. Ein kurzer historischer Rundweg mit Infotafeln führt Besucher zu den wichtigsten Stellen, darunter der Standort des ehemaligen Hafens, der bis ins 16. Jahrhundert von hier schiffbar war.

Erholungsort
Als staatlich anerkannter Erholungsort bietet Marienhafe auch Möglichkeiten zur Freizeitgestaltung. Es gibt ausgewiesene Rad- und Wanderwege im Brookmerland, die flache Marschlandschaft lädt zu Fahrradtouren entlang der Abelitz und durch die umliegenden Dörfer ein. Im Ortszentrum befinden sich gastronomische Betriebe mit ostfriesischer Teekultur und regionaler Küche, die Besucher willkommen heißen. Ein beheiztes Freibad, Sportanlagen und ein Naherholungsgebiet am nahe gelegenen Tjücher Moortief (Gewässer im Osten der Gemeinde) ergänzen das touristische Angebot.
Kulturelle Veranstaltungen
Überregional bekannt war Marienhafe für die Störtebeker-Freilichtspiele, die von 1980 bis 2014 alle drei Jahre im Sommer auf dem Marktplatz stattfanden. In plattdeutscher Sprache wurden dabei wechselnde Geschichten rund um Störtebeker und die Hansezeit aufgeführt, während der Ortskern für mehrere Wochen in ein mittelalterliches Ambiente mit Buden und Bühnen verwandelt wurde. Nach 2014 wurden diese aufwendigen Festspiele jedoch aus finanziellen und organisatorischen Gründen eingestellt. Eine feste Größe im Veranstaltungskalender ist hingegen das jährliche Störtebeker-Straßenfest, das an jedem ersten Samstag im Juni gefeiert wird. Dann verwandeln sich die Hauptstraße und der Marktplatz in eine bunte Festmeile, auf der lokale Vereine und Händler Stände mit Kunsthandwerk, regionalen Produkten und Speisen betreiben. Abends runden Live-Musik und ein open-air Konzert das Straßenfest ab, das viele Besucher aus dem Umland anzieht.
Wissenswertes
- Städtepartnerschaft
Wie erwähnt pflegt Marienhafe eine Partnerschaft mit Melksham in England (seit 1989). Der Austausch umfasst gegenseitige Besuche von Vereinen und Privatpersonen, wodurch kulturelle Verbindungen zwischen Ostfriesland und Wiltshire entstanden sind. - Sprache
In Marienhafe wird neben Hochdeutsch traditionell Ostfriesisches Plattdeutsch gesprochen. Viele Einwohner beherrschen den lokalen plattdeutschen Dialekt und pflegen ihn im Alltag, was zum Erhalt der regionalen Kultur beiträgt. - Persönlichkeiten
Zu den in Marienhafe geborenen oder wirkenden Persönlichkeiten zählen der lutherische Theologe Wilhelm Schomerus (1864–1943), der von 1905 bis 1939 als Generalsuperintendent in Ostfriesland wirkte, sowie der Politiker Georg Peters (1908–1992), der in den 1950er-Jahren dem niedersächsischen Landtag angehörte. Auch der Name Klaus Störtebeker ist untrennbar mit Marienhafe verbunden, obgleich es sich um eine sagenhafte Gestalt handelt – sein vermuteter Aufenthalt im Ort begründete dessen Ruf und wird bis heute touristisch und kulturell aufgegriffen. - Regionale Besonderheit
Marienhafe liegt im Herzen des historischen Brookmerlandes, einer Kulturlandschaft, die durch Moor, Marsch und Geest gekennzeichnet ist. Das Brookmerland besitzt mit dem Brokmerbrief (13. Jahrhundert) eines der ältesten überlieferten ländlichen Rechtsbücher Norddeutschlands, worin Marienhafe bereits erwähnt wird. Diese regionale Geschichte spiegelt sich im Heimatmuseum der Samtgemeinde und in diversen Heimatvereinen wider, die Brauchtum wie Teezeremonie, Boßeln und plattdeutsche Theaterstücke pflegen.
Fazit
Marienhafe, ein historischer Flecken im Landkreis Aurich, verbindet auf einzigartige Weise mittelalterliches Erbe mit modernem Gemeindeleben. Bekannt durch die Legende des Klaus Störtebeker und die einst größte Kirche Ostfrieslands, bewahrt der Ort bis heute seine kulturelle Identität. Als Verwaltungssitz des Brookmerlandes, Bildungsstandort und staatlich anerkannter Erholungsort bietet Marienhafe eine solide Infrastruktur, vielfältige Freizeitmöglichkeiten und gute Verkehrsanbindungen. Trotz seiner überschaubaren Größe zeichnet sich die Gemeinde durch lebendige Traditionen, regen Tourismus und ein starkes Gemeinschaftsgefühl aus – ein gelungenes Beispiel für die Verbindung von Geschichte und Gegenwart in Ostfriesland.
verwaltung und Location
Samtgemeinde Brookmerland
Am Markt 10
D-26529 Marienhafe
Telefon: 04934/811
E-Mail: info@marienhafe.de
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