Die kleine Krabbe Greta lebte im weichen Schlick des Wattenmeeres in Ostfriesland. Sie liebte es, mit ihren Freunden über den Meeresboden zu krabbeln und nach kleinen Leckerbissen zu suchen. Doch eines Morgens war etwas anders: Das Wasser war verschwunden! Wo sonst sanfte Wellen plätscherten, war plötzlich nur noch feuchter Sand und Schlick.
Wo ist das Meer?
„Oh je! Was ist passiert? Wo ist das Meer hin?“, rief Greta erschrocken. Genau in diesem Moment landete die Möwe Erwin mit einem eleganten Schwung neben ihr.
„Guten Morgen, Greta! Keine Sorge, das Meer ist nicht weg, es kommt bald zurück“, zwitscherte Erwin fröhlich.
„Aber wie kann das sein?“, fragte Greta neugierig. „Wohin ist es gegangen?“
Erwin lachte und plusterte sein Gefieder auf. „Setz dich hin, Greta, ich erzähle dir alles über das große Geheimnis der sogenannten Gezeiten!“
Der Mond spielt mit dem Meer
Erwin scharrte mit einem Flügel eine kleine Zeichnung in den Wattboden. „Weißt du, Greta, die Gezeiten sind wie ein riesiger Atem des Meeres. Mal zieht es sich zurück, mal kommt es zurück – das nennt man Ebbe und Flut. Und der Mond ist daran schuld!“
Greta riss die Augen auf. „Der Mond? Der ist doch so weit weg! Wie kann er das Wasser bewegen?“
Erwin nickte. „Der Mond hat eine unsichtbare Kraft, die nennt man Anziehungskraft. Sie wirkt auf das Wasser im Meer und zieht es ein bisschen zu sich hin. Dadurch steigt das Wasser an manchen Stellen der Erde an – das ist die Flut. Aber weil die Erde sich dreht, bewegt sich das Wasser mit und so gibt es an anderen Stellen gleichzeitig die Ebbe.“
Greta klapperte mit ihren kleinen Scheren. „Also zieht der Mond das Wasser zu sich? Und deshalb geht es immer rauf und runter?“
„Ganz genau! Und nicht nur der Mond, auch die Sonne hilft ein bisschen mit. Aber der Mond hat den größten Einfluss.“
Ebbe und Flut – ein ständiger Wechsel
Greta krabbelte aufgeregt hin und her. „Also gibt es immer erst Ebbe und dann Flut? Und dann wieder von vorne?“
Erwin nickte. „Genau! Etwa alle sechs Stunden wechselt es. Erst kommt die Flut, dann geht das Wasser wieder zurück – das ist die Ebbe. Danach kommt die nächste Flut. So geht es jeden Tag.“
Greta sah sich um. „Dann ist das Watt ja gar nicht leer, sondern nur kurz ohne Wasser?“
„Richtig! Und das ist das Besondere am Wattenmeer in Ostfriesland“, erklärte Erwin. „Wenn das Wasser weg ist, kommen viele Tiere aus ihren Verstecken – Wattwürmer, Muscheln, Schnecken und kleine Fische. Das ist eine tolle Zeit für Vögel wie mich, weil es dann viel zu fressen gibt!“
Die Auswirkungen der Gezeiten
Greta dachte eine Weile nach und fragte dann: „Und was passiert mit uns Krabben? Macht die Ebbe uns auch glücklich?“
Erwin lachte. „Für dich ist die Ebbe eine kleine Herausforderung! Viele Krabben verstecken sich im Schlick, bis das Wasser zurückkommt. Andere krabbeln in kleine Pfützen, die zurückbleiben, um nicht auszutrocknen. Aber keine Sorge – wenn die Flut wiederkommt, seid ihr wieder im Wasser.“
Greta überlegte. „Das klingt ja spannend! Das Wattenmeer verändert sich also ständig, und wir müssen uns anpassen.“
„Ganz genau! Und das ist es, was diesen Ort so besonders macht“, sagte Erwin stolz. „Das Watt ist voller Leben – und das nur wegen der Gezeiten!“
Greta freut sich auf die nächste Flut
Greta schaute hinaus auf die Wattlandschaft. Sie hatte Angst gehabt, dass das Meer verschwunden war, aber nun wusste sie es besser. „Danke, Erwin! Jetzt verstehe ich, warum das Wasser kommt und geht. Es ist, als würde das Meer atmen!“
Erwin nickte zufrieden. „Ganz genau, kleine Krabbe. Und wenn du noch mehr lernen willst, schau einfach nach oben zum Mond – er wacht immer über das Wasser.“
In diesem Moment begann sich das Meer wieder zurückzuschleichen. Greta spürte, wie das Wasser sanft über den Boden floss und ihr Zuhause wieder bedeckte. Sie zwinkerte Erwin zu. „Ich glaube, die Flut kommt zurück. Zeit für ein Bad!“
Erwin breitete seine Flügel aus. „Und Zeit für mich, ein paar Leckerbissen zu fangen! Bis später, Greta!“
Während die Flut langsam das Watt überflutete, fühlte sich Greta beruhigt. Die Gezeiten waren kein Rätsel mehr – sondern ein wunderbarer Teil ihres Lebens im Wattenmeer.
Kommentieren