Das Naturschutzgebiet Leyhörn, gelegen im südlichen Bereich der Leybucht in der niedersächsischen Gemeinde Krummhörn, ist ein beeindruckendes Beispiel für die Verbindung von Naturschutz, Hochwasserschutz und nachhaltiger Landnutzung. Die Halbinsel, die durch Küstenschutzmaßnahmen bis 1991 entstanden ist, bietet mit ihren vielfältigen Biotopstrukturen auf einer Fläche von 646 Hektar Lebensraum für zahlreiche Tier- und Pflanzenarten.
Geografie
Die Leyhörn befindet sich am südlichen Ende der Leybucht, einer durch Eindeichungen stark verkleinerten Bucht der niedersächsischen Nordseeküste in der Gemeinde Krummhörn. Diese Gemeinde, bekannt für ihre malerischen Ortschaften und die enge Verbindung zur Nordsee, beherbergt zahlreiche wertvolle Natur- und Kulturlandschaften. Die Leyhörn ragt als nasenförmige Ausbuchtung in den Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer hinein und nimmt durch ihre zentrale Lage eine Schlüsselposition im Küstenschutz und Naturschutz ein.
Das Naturschutzgebiet zeichnet sich durch vielfältige Landschaftsformen aus, darunter das Speicherbecken Leyhörn, das Leyhörner Sieltief und die Teiche bei Hauen. Im Osten grenzt das Gebiet an die Ruhezone des Nationalparks, während westlich des Leysiels die Deichanlagen liegen, die teilweise von den Schutzbestimmungen ausgenommen sind.
Geschichte und Entstehung
Die Leybucht, die sich einst durch eines der größten zusammenhängenden Gebiete von Salzwiesen und Wattflächen in der Deutschen Bucht auszeichnete, sah sich in den 1960er Jahren mit drastischen Veränderungen konfrontiert. Die verheerenden Flutkatastrophen in den Niederlanden und Hamburg rückten den Küstenschutz in den Fokus, sodass umfassende Eindeichungsmaßnahmen geplant wurden. Ziel war es, die gesamte Leybucht einzudeichen, um die Deichlinie auf acht Kilometer zu halbieren und neues Land für Landwirtschaft, Tourismus und Wassersport zu schaffen.
Dieser Ansatz stieß jedoch auf erheblichen Widerstand von Naturschutzorganisationen, insbesondere dem Naturschutzbund Deutschland (NABU). Nach intensiven Diskussionen und Verhandlungen wurde 1985 ein Kompromiss erreicht. Statt der vollständigen Eindeichung wurde die Leyhörn als schmale, wassergeprägte Halbinsel konzipiert, die die Interessen von Naturschutz, Hochwasserschutz und wirtschaftlicher Entwicklung vereint. Diese Deichnase, die durch aufwendige Bauarbeiten im Watt geschaffen wurde, dient sowohl dem Schutz der Küste als auch der Entwässerung des Binnenlandes.
Innerhalb der neu geschaffenen Deichlinie entstand ein Speicherbecken, das nicht nur für den Hochwasserschutz von zentraler Bedeutung ist, sondern auch als Lebensraum für eine Vielzahl von Tier- und Pflanzenarten fungiert. Am 03. Dezember 1994 wurde die Leyhörn schließlich offiziell als Naturschutzgebiet ausgewiesen, wodurch die einzigartige Kombination aus Naturschutz und Küstenschutz langfristig gesichert werden konnte.

Biotopvielfalt und Ökologische Bedeutung
Das Naturschutzgebiet umfasst die gesamte Halbinsel Leyhörn, einschließlich des Speicherbeckens, des Leyhörner Sieltiefs und des Leysiels. Zusätzlich sind die Teiche bei Hauen Teil des Schutzgebietes. Diese wurden auf einer vorher landwirtschaftlich genutzten Fläche durch Kleientnahme für den Deichbau geschaffen und naturnah gestaltet.
Die Leyhörn ist ein bedeutendes Brut- und Rastgebiet für Vögel von internationaler Bedeutung. Arten wie Nonnen- und Ringelgänse, Austernfischer, Löffler und Säbelschnäbler finden hier geeignete Lebensräume. Gleichzeitig bieten die ausgedehnten Röhrichte und Hochstaudenfluren, die sich in den verschiedenen Bereichen des Schutzgebietes finden, wertvolle Habitate für seltene Singvögel wie die Bartmeise oder das Blaukehlchen. Die Vegetation hat sich an die sich wandelnden Wasserverhältnisse angepasst, sodass auch Pflanzen wie die Strandaster hier gedeihen.
Nutzung und Schutz
Das Gebiet ist Teil des EU-Vogelschutzgebietes „Krummhörn“ und grenzt im Osten direkt an die Ruhezone des UNESCO-Weltnaturerbes und des Nationalparks Niedersächsisches Wattenmeer. Das Naturschutzgebiet dient dem Schutz des EU-Vogelschutzgebietes V04 „Krummhörn“. Zuständig ist der Landkreis Aurich als untere Naturschutzbehörde. Die Nutzung des Schutzgebietes ist streng reglementiert: Besucher können die Vogel-Beobachtungshütte besuchen, die barrierefrei zugänglich ist, oder an Führungen des NABU teilnehmen. Das direkte Betreten des Schutzgebietes außerhalb dieser Angebote ist nicht gestattet, um die empfindlichen Lebensräume zu schützen. Es gibt jedoch Spazierwege, die durch die Leybucht führen und zur Vogelbeobachtungen einladen.
Vom Hafen Greetsiel aus werden Kutterfahrten in das Gebiet angeboten, die einen besonderen Einblick in die einzigartige Natur ermöglichen. Seit 2000 wird die abgelegene Lage des Leysiels zudem von Imkern genutzt, um Bienenköniginnen kontrolliert anzupaaren.

Vogelbeobachtungen im Naturschutzgebiet Leyhörn
Herausforderungen und Perspektiven
Obwohl die Leyhörn als „Paradies aus zweiter Hand“ gilt, steht das Gebiet vor Herausforderungen. Der Meerwasseranteil im Speicherbecken hat sich durch die Siel- und Schleusenstrukturen verringert, was die Zusammensetzung von Flora und Fauna beeinflusst. Während die Zahl der Säbelschnäbler zurückging, haben Singvögel wie das Blaukehlchen und die Bartmeise stark zugenommen.
Die Leyhörn zeigt, wie durch kluge Kompromisse zwischen Naturschutz, Hochwasserschutz und wirtschaftlichen Interessen ein Gebiet geschaffen werden kann, das für Mensch und Natur gleichermaßen von Nutzen ist. Mit ihrer beeindruckenden Artenvielfalt und ihrer besonderen Geschichte bleibt die Leyhörn ein Vorbild für nachhaltige Küstenentwicklung.
Weblinks
- NABU – Schutzgebiet Leyhörn
https://www.nabu.de/natur-und-landschaft/schutzgebiete/nabu-schutzgebiete/niedersachsen/05694.html - Niedersächsischer Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz
https://www.nlwkn.niedersachsen.de/naturschutzgebiete/naturschutzgebiet-leyhoern-41186.html - Komoot – Naturschutzgebiet Leyhörn: Wanderungen und Rundwege
https://www.komoot.com/de-de/highlight/3364264
Fazit
Die Leyhörn ist ein herausragendes Beispiel für die gelungene Verbindung von Naturschutz, Küstenschutz und wirtschaftlicher Nutzung. Sie bietet bedrohten Vogelarten und Pflanzen einen geschützten Lebensraum und ist gleichzeitig ein Modell für nachhaltige Küstenentwicklung. Trotz Herausforderungen wie der veränderten Wasserzusammensetzung bewahrt das Gebiet seine ökologische und kulturelle Bedeutung. Die Leyhörn steht sinnbildlich für das Potenzial, Mensch und Natur in Einklang zu bringen, und bleibt ein faszinierender Ort, der Naturliebhaber und Experten gleichermaßen inspiriert.
Location und Kontakt
Nationalpark-Haus Greetsiel
Zur Hauener Hooge 11
D-26736 Krummhörn
Telefon: 04926/2041
E-Mail: nationalparkhaus@greetsiel.de
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